Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwirkung des Widerrufs eines Verbraucherdarlehensvertrages
Verfahrensgang
LG Kiel (Urteil vom 25.08.2016) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 25.8.2016 verkündete Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des LG Kiel wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsrechtszugs.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Widerruf eines Verbraucherdarlehens. Der Kläger verlangt eine von ihm und seiner Ehefrau gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung zurück.
Die Parteien schlossen den Darlehensvertrag am 21.12.2005. Der Kläger und seine Ehefrau kündigten das Darlehen und zahlten es am 30.5.2012 nebst Vorfälligkeitsentschädigung vollständig zurück. Der Kläger widerrief seine auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung am 7.4.2015.
Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird im Übrigen Bezug genommen.
Das LG hat die Klage abgewiesen: Der Kläger habe seine auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung nicht allein, sondern nur gemeinsam mit der Mitdarlehensnehmerin widerrufen können.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er vertritt die Ansicht, die Widerrufsbelehrung der Beklagten sei weder gesetzes- noch musterkonform. Der Kläger habe den Vertrag allein widerrufen können. Das Recht zum Widerruf sei nicht verwirkt.
Der Kläger beantragt:
1. Unter Aufhebung des Urteils des LG Kiel vom 25.08.2016, Az. 12 O 360/15, wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger einen Betrag i.H.v. EUR 15.486,22 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. EUR 1.416,10 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hat keinen Erfolg. Die Widerrufsbelehrung ist zwar zu beanstanden. Der Kläger kann das Widerrufsrecht auch allein ausüben. Das Widerrufsrecht ist aber verwirkt. Auf die Frage, ob der Kläger Zahlung nur an sich verlangen kann, kommt es daher nicht an.
1. Die hier in Rede stehende Musterwiderrufsbelehrung der Sparkassen ist weder gesetzes- noch musterkonform (BGH, Urteil vom 12.7.2016 - XI ZR 564/15, Rn. 17 f. zur Gesetzeskonformität und Rn. 20 f., 25 zur Musterkonformität).
2. Der Kläger konnte die Darlehensverträge auch allein - ohne Mitwirkung der weiteren Darlehensnehmerin Frau S - widerrufen (vgl. BGH, Urteil vom 11.10.2016 - XI ZR 482/15, Rn. 13 f.).
3. Das Widerrufsrecht ist aber verwirkt.
Die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten (BGH, Urteil vom 27.6.1957 - II ZR 15/56; Grüneberg in: Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 242 Rn. 87) setzt neben einem Zeitmoment ein Umstandsmoment voraus. Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 13.7.2004 - XI ZR 12/03; Urteil vom 28.3.2006 - XI ZR 425/04; Urteil vom 25.11.2008 - XI ZR 426/07, juris Rn. 22; Urteil vom 23.1.2014 - VII ZR 177/13, Rn. 13; Urteil vom 7.5.2014 - IV ZR 76/11, Rn. 39; Urteil vom 12.7.2016 - XI ZR 501/15, Rn. 40; Urteil vom 11.10.2016 - XI ZR 482/15, Rn. 30). Ob eine Verwirkung vorliegt, richtet sich letztlich nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalles (BGH, Urteil vom 19.10.2005 - XII ZR 224/03, juris Rn. 23; Urteil vom 9.10.2013 - XII ZR 59/12, Rn. 7 m.w.N.; Urteil vom 12.7.2016 - XI ZR 501/15, Rn. 40; Urteil vom 11.10.2016 - XI ZR 482/15, Rn. 30), ohne dass insofern auf Vermutungen zurückgegriffen werden kann (BGH, Urteil vom 11.10.2016 - XI ZR 482/15, Rn. 30).
Auch das Widerrufsrecht kann verwirkt werden. Einen gesetzlichen Ausschluss des Instituts der Verwirkung hat der Gesetzgeber auch mit dem Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften nicht eingeführt und damit zugleich zu erkennen gegeben, diesem Institut grundsätzlich schon immer Relevanz im Bereich der Verbraucherwiderrufsrechte zuzuerkennen (vgl. BT-Drucks. 18/7584, S. 147; BGH, Urteil vom 12.7.2016 - XI ZR 501/15, Rn. 39; Urteil vom 11.10.2016 - XI ZR 482/15, Rn. 30).
Erteilt der Unternehmer eine unrichtige Widerrufsbelehrung, darf er sich allerdings regelmäßig nicht darauf einrichten, dass der Berechtigte von seinem Widerrufsrecht keinen Gebrauch macht (BGH, B...