Leitsatz (amtlich)
Der Unterhaltsbedarf eines in einem Alten- und Pflegeheim lebenden Elternteils bestimmt sich nur dann nach dadurch angefallenen Unterbringungskosten, wenn sie als angemessener Unterhalt i.S.d. § 1610 Abs. 1 BGB angesehen werden können. Was als angemessener Unterhalt im Sinne dieser Bestimmung gilt, knüpft weder an die Lebensstellung des Kindes noch an eheliche oder familiäre Lebensverhältnisse an. Maßstab ist allein die Lebensstellung des bedürftigen Elternteils, diese prägt den Bedarf (vgl. BGH v. 19.2.2003 – XII ZR 67/00, MDR 2003, 875 = BGHReport 2003, 735 = NJW 2003, 1660 ff.).
Normenkette
BGB §§ 1601, 1610 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Kiel (Urteil vom 12.02.2002; Aktenzeichen 52 F 11/01) |
Tenor
Auf die Anschlussberufung des Beklagten wird das am 12.2.2002 verkündete Urteil des AG – FamG – Kiel geändert und wie folgt neu gefasst: Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.515,21 Euro (= 16.654,30 DM) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 28.11.2000 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des ersten Rechtszuges trägt die Klägerin 80 % und der Beklagte 20 %.
Die Kosten des zweiten Rechtszuges werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin macht als Trägerin der Sozialhilfe aus übergegangenem Recht Ansprüche auf Elternunterhalt geltend.
Die Mutter des Beklagten, Frau Hedwig R., geboren am 23.6.1917, lebte vom 10.8.1995 bis zu ihrem Tode am 22.4.2000 im T.-F.-Werk „Wohnen im Alter” in Mühlheim. Gemeinsam mit ihrem am 20.1.1997 verstorbenen zweiten Ehemann, Herrn R.R., dem Stiefvater des Beklagten, war sie in dieses evangelische Alten- und Pflegeheim gezogen, da beide aufgrund ihres Gesundheitszustandes ständig fremder Hilfe und Pflegedienste bedurften. Von dem Tage der Heimunterbringung an bis zu ihrem Tode wurde die Mutter des Beklagten mit Hilfe zur Pflege nach den Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes vom örtlichen Träger der Sozialhilfe, der Klägerin, zulasten des Landschaftsverbandes unterstützt, da ihre eigenen finanziellen Mittel zur Bestreitung der Heim- und Pflegekosten nicht ausreichten. Mit Rechtswahrungs- und Überleitungsanzeige vom 11.3.1996, dem Beklagten zugestellt am 15.3.1996, wurde dieser darüber unterrichtet und zur Auskunftserteilung über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse aufgefordert. Zugleich wurde ihm bekannt gegeben, dass etwaige Unterhaltsansprüche seiner Mutter gegen ihn bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen kraft Gesetzes auf den Sozialhilfeträger übergingen. Die Aufwendungen des Sozialamtes beliefen sich im Forderungszeitraum vom 15.3.1996 bis zum 22.4.2000 auf insgesamt 314.649,32 DM. Die Mutter des Beklagten verfügte in dem gleichen Zeitraum über Einnahmen i.H.v. 225.405,62 DM, so dass ein ungedeckter Sozialhilfeaufwand i.H.v. 89.243,70 DM verblieb. In der Zeit von April 1996 bis Oktober 2000 führte die Klägerin mit dem Beklagten umfangreichen Schriftwechsel über seine Einkommensverhältnisse und darüber, in welchem Umfang er zur Zahlung von Unterhalt an seine Mutter herangezogen werden könne. Am 11.10.2000 zahlte der Beklagte einen einmaligen Betrag i.H.v. 5.000 DM an die Klägerin.
Der am 7.9.1938 geborene Beklagte ist freiberuflich tätiger Seelotse und Überseelotse auf dem Nord-Ostsee-Kanal mit den dazugehörigen Seelotsenrevieren. Er ist verheiratet und hat zwei Töchter. Seit Januar 1999 lebt er von seiner Ehefrau getrennt. Beim AG – FamG – Kiel ist seit dem 29.9.1999 das Scheidungsverfahren anhängig (54 F 211/99). Weiterhin hat der Beklagte noch vier Geschwister, und zwar die Brüder K., U. und H. T. sowie die Schwester K. W..
Mit der vorliegenden Klage, der ein Ende Dezember 2000 eingeleitetes Mahnverfahren vorausging, hat die Klägerin – nach teilweiser Klagrücknahme – übergeleitete Unterhaltsansprüche i.H.v. insgesamt 80.084,05 DM ggü. dem Beklagten geltend gemacht. Unter Zugrundelegung der Einkommensdaten aus den Steuerbescheiden der Jahre 1994 bis 1996 hat die Klägerin das durchschnittliche Nettoeinkommen des Beklagten mit monatlich 9.345,86 DM ermittelt. Dieses Nettoeinkommen wurde für den gesamten Forderungszeitraum als verfügbares Einkommen des Beklagten berücksichtigt. Die steuerrechtlich abzugsfähigen Minuserträge aus Vermietung und Verpachtung hat die Klägerin demgegenüber nicht in Ansatz gebracht, sondern zur Altersvorsorge Lebensversicherungsbeiträge des Beklagten von monatlich durchgängig 800 DM berücksichtigt. Als weitere einkommensmindernde Position hat es die Krankenversicherungskosten des Beklagten abgezogen und den Unterhaltsbedarf der Tochter V. als studierendes Kind mit monatlich 1.050 DM angenommen. Den angemessenen Selbstbehalt der Ehefrau des Beklagten hat die Klägerin in ihrer Unterhaltsberechnung mit monatlich 1.560 DM berücksichtigt und hiervon das jeweils erzielte Einkommen in Abzug gebracht. Der Beklagte hat mangelnde Leistungsfähigkeit eingewandt und darüber hinaus vorgebracht, seine Mutter sei gar nicht ...