Entscheidungsstichwort (Thema)
Offene Immobilienfonds: Gesteigerte Beratungspflicht der Bank bei der Depotumschichtung; Aufklärungspflicht über das Risiko einer zeitweiligen Aussetzung der Anteilsrücknahme
Normenkette
BGB § 280 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Lübeck (Urteil vom 26.03.2013) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 26.3.2013 verkündete Urteil des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des LG Lübeck geändert und die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 Prozent des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht wegen behaupteter fehlerhafter Empfehlung der Umschichtung von Fondsanlagen Schadenersatzansprüche gegen die Beklagte geltend.
Der Kläger war bereits seit vielen Jahren Kunde der Beklagten. Gemäß WpHG-Protokoll vom 3.3.2006 verfolgte der Kläger die Anlagestrategie balanceorientiert (Stufe 4 von insgesamt 6 Stufen)... (wird weiter ausgeführt).
Auf Einladung des Wertpapierspezialisten D. begaben sich der Kläger und seine Ehefrau, die Zeugin M., am 18.6.2006 in eine Filiale der Beklagten in L.. An dem Gespräch nahm auch die Kontobetreuerin, die Zeugin S., teil. Im Depot des Klägers befanden sich seinerzeit 905 Stück Anteile an dem Immobilienfonds hausInvest europa (WKN 980701) und 351 Stück Anteile an dem Immobilienfonds hausInvest global (WKN 254473). Der Zeuge D. riet zu einer Umschichtung in den seit Mai 2008 neu aufgelegten Dachfonds Premium Management Immobilien-Anlagen (im Folgenden: PMIA), wobei die Einzelheiten des Gesprächs zwischen den Parteien streitig sind. Es ist insbesondere auch streitig, ob die Beratung anhand einer Kundenbroschüre/eines Flyers erfolgt ist und ob diese Broschüre an den Kläger ausgehändigt worden ist. Der Zeuge D. fertigte nach dem Gespräch um 15:02 Uhr eine Gesprächsnotiz, die u.a. folgende Anmerkungen enthielt:
"der Kunde wurde auf mögliche Kursschwankungen hingewiesen der Kunde wurde auf Höhe Ausgabeaufschlag, laufende Vertriebsprovision (LVP) sowie Zufluss an Commerzbank hingewiesen der Kunde wurde auf die Erwerbskosten/Ausgabeaufschlag hingewiesen ergänzende Anmerkungen:
- Abwicklung als Festpreisgeschäft mit dem Kunden vereinbart ... der Kunde verzichtete auf Verkaufsprospekt/vereinfachter Verkaufsprospekt der Kunde verzichtete auf den letzten Rechenschaftsbericht/Halbjahresbericht Flyer/Factsheet wurden dem Kunden übergeben/versandt
Notiz: Balanced, Anteil Assetklasse Aktien: - 5,2 %, freier Anteil: 11.400,89 EUR, Erfahrungen Kenntnisstufe B 1, Anlageberatung, Ausführungsplatz: Festpreis (13 Q) persönliches Gespräch mit dem Ehepaar M ... Habe den Eheleuten M. das PMI detailliert anhand des Verkaufsprospekts erläutert. Die Ehel. M. tauschen die hi Fonds global und europa in PMI".
Die Parteien vereinbarten ferner hinsichtlich des Ausgabeaufschlags einen Rabatt von 25 %.
Gemäß den Abrechnungen vom 20.6.2008 verkaufte der Kläger seine hausInvest-Anteile (351 Stück hausInvest global; 905 Stück hausInvest europa) für 19.352,44 EUR (hausInvest global) bzw. 37.864,16 EUR (hausInvest europa) und kaufte dafür 1.100 Stück PMIA-Anteile zum Festpreis (52,5105 EUR/St.; abzgl. einer Bonifikation von 1,19 %) i.H.v. 57.074,19 EUR.
Der PMIA (WKN A0ND6C) war am 19.5.2008 durch die Allianz Global Investors Kapitalanlagegesellschaft mbH (einem Tochterunternehmen der Beklagten) aufgelegt worden. Die Beklagte übernahm den Alleinvertrieb. Die Anteile am PMIA sollten zu einem Erstausgabepreis von 50 EUR, später dann zum Tageskurs zzgl. 5 % Agio veräußert werden. Der Ausgabeaufschlag und bis zu 70 % der jährlichen Verwaltungsvergütung von 1,5 % sollten der Beklagten als Vertriebsprovision zufließen. Zu den Zielfonds des PMIA gehörten von Anfang an auch der hausInvest europa und der hausInvest global, die in der Summe Ende Juli 2008 etwas über 30 % des Anlagevermögens ausmachten. Zum 31.3.2009 hatte das PMIA Management knapp 69 % des Fondsvolumens in 24 verschiedene Immobilienfonds investiert, wobei ein hoher Grad an geografischer und objektspezifischer Diversifikation erreicht wurde, weil nicht nur in Objekte in Europa, sondern auch in Japan, Kanada und in den USA investiert wurde.
Die Anteile des PMIA verzeichneten zunächst einen verhaltenen Kursanstieg. Im Zuge der Finanzkrise im Herbst 2008 schlossen jedoch ab Oktober 2008 bereits die ersten Zielfonds.
Am 27.9.2010 setzte die Fondsverwaltung (Allianz Global Investors GmbH) den Handel und damit die Rücknahme der PMIA-Fondsanteile aus. Hintergrund waren u.a. die Schließung zahlreicher Zielfonds sowie erhebliche Mittelabflusse durch vermehrte Anteilsrückgaben, so dass bis dahin die Barmittel bzw. liquiden Vermögenswerte weitgehend aufgezehrt waren. Das Papier ist jedoch weiterhin an der Börse handelbar. Am 15.1.2011 wurde de...