Leitsatz (amtlich)

1. Ein Unterhaltsgläubiger hat die aus einer Alkoholerkrankung folgende Erwerbsunfähigkeit und die damit einhergehende Bedürftigkeit nur dann zu vertreten, wenn er zum Einsatzzeitpunkt fähig und in der Lage war, seine Erkrankung und deren Behandlungsbedürftigkeit zu erkennen, sich aber Behandlungsmöglichkeiten verschlossen hat.

2. Für die Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs eines geschiedenen Ehepartners ist es unerheblich, ob er bei Erfolg der Klage aufgrund erhöhter Leistungsfähigkeit den beim Unterhaltsschuldner lebenden minderjährigen Kindern erhöhten Unterhalt schuldet.

 

Orientierungssatz

Nachehelicher Unterhalt eines Alkoholkranken

 

Normenkette

BGB §§ 1572, 242

 

Verfahrensgang

AG Lübeck (Aktenzeichen 123 F 153/99)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 03. Mai 2000 verkündete Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Lübeck geändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin nachehelichen Unterhalt in folgendem Umfang zu zahlen:

  • für Oktober bis einschließlich Dezember 1998 monatlich 238,77 DM,
  • für die Zeit vom 01. Januar 1999 bis zum 30. Juni 1999 monatlich 514,73 DM,
  • für die Zeit vom 01. Juli 1999 bis zum 31. Dezember 1999 monatlich 474,45 DM,
  • für die Zeit ab 01. Januar 2000 monatlich 346,59 DM.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges haben die Klägerin 75 % und der Beklagte 25 % zu tragen.

Die Kosten des Berufungsrechtszuges werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Die Klägerin macht nachehelichen Unterhalt geltend.

Sie ist am 1957 geboren. Am 1985 hat sie den am 1955 geborenen Beklagten geheiratet. Aus der Ehe sind zwei minderjährige Kinder, J., geb. am November 1985, und F., geb. am September 1987, hervorgegangen. Im Dezember 1994 haben die Parteien sich voneinander getrennt. Während der Zeit des Zusammenlebens hat die Klägerin zunächst die Kinder betreut, nachdem sie zuvor als Beamtin bei der Post berufstätig war. Ab etwa 1992 hat sie wieder teilschichtig gearbeitet. Mit Wirkung vom 01. Dezember 1996 an ist sie vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden und bezieht seither Versorgungsbezüge. Die Ehe der Parteien ist durch Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Lübeck vom 20. Oktober 1997 geschieden. Dieses Urteil ist seit dem 20. Oktober 1997 rechtskräftig. Der Beklagte war und ist vollschichtig berufstätig. Zunächst hat er ebenfalls als Beamter bei der Post gearbeitet. Im Zuge der Umstrukturierung und Privatisierung ist er zu einem privaten Nachfolgeunternehmen der Post, der K. GmbH, gewechselt und ist dort nunmehr im Angestelltenverhältnis tätig. Neben seiner vollschichtigen Tätigkeit betreut der Beklagte die beiden gemeinsamen Kinder der Parteien, für die ihm mit Scheidungsurteil des Amtsgerichts Lübeck vom 20. Oktober 1997 die alleinige elterliche Sorge übertragen worden war. Durch Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Lübeck vom 10. Februar 1999 ist die Klägerin verurteilt worden, an jedes der beiden Kinder monatlich 183,93 DM Unterhalt zu zahlen.

Im ersten Rechtszug hat die Klägerin Unterhalt ab Oktober 1998 zunächst in Höhe von monatlich 591,75 DM unter Hinweis auf die Differenz zwischen ihren Einkünften und denjenigen des Beklagten geltend gemacht, hat sodann ihre Klage jedoch teilweise zurückgenommen und hat letztlich monatlich nur noch 287,75 DM Unterhalt verlangt. Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei rechtsmissbräuchlich. Dies ergebe sich daraus, dass die Klägerin alles, was sie möglicherweise vom Beklagten als Unterhalt fordern könne, sofort wieder an diesen zurückzahlen müsse. Denn sie zahle ihren Kindern zur Zeit nur einen Bruchteil des Mindestunterhalts. Selbst wenn der Beklagte ihr antragsgemäß monatlich 287,75 DM Unterhalt zu zahlen hätte, müsste sie diesen Betrag in voller Höhe zurückerstatten, weil zur Deckung des Mindestunterhalts beider Kinder noch 382,14 DM monatlich also ein die Klagforderung übersteigender Betrag, erforderlich sei.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. In erster Linie meint sie, ihr Verlangen sei nicht rechtsmissbräuchlich, weil die Geltendmachung von Ehegattenunterhalt mit möglichen Ansprüchen der Kinder auf Unterhalt nichts zu tun habe. Sie behauptet auf Seiten des Beklagten höhere Einkünfte sowie einen zu berücksichtigenden Wohnvorteil. Sie trägt vor, sie selbst sei alkoholkrank, sei deshalb erwerbsunfähig und sei dies auch im Zeitpunkt der Scheidung schon gewesen. Zur Zeit stehe sie – unstreitig – unter Betreuung durch den Lübecker Rechtsanwalt H. Mit ihrer Berufung belegt die Klägerin ihre aktuellen Einkünfte.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie für die Zeit ab Oktober 1998 bis Dezember 1998 monatlich 285,– DM und für die Zeit ab Januar 1999 monatlich 535,– DM zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er meint, die Klägerin ha...

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