Entscheidungsstichwort (Thema)
Führung eines ausländischen Doktorgrades als Wettbewerbsverstoß
Leitsatz (amtlich)
1. Die Steuerberaterkammer kann gegen ihre Mitglieder auch wettbewerbsrechtliche Ansprüche geltend machen; sie ist nicht auf öffentlich-rechtliche Maßnahmen beschränkt.
2. § 43 StBerG, der die Berufsbezeichnung Steuerberater und die Zulässigkeit von Zusätzen regelt, stellt eine Marktverhaltensregel i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG dar.
3. Ein Steuerberater, dem in der Slowakei der akademische Grad des "doctor filozofie" (PhDr.) verliehen wurde, darf diesen nicht mit der Abkürzung "Dr." seiner Berufsbezeichnung hinzusetzen. Dies gilt für alle Bundesländer mit Ausnahme von Berlin und Bayern.
Normenkette
StBerG § 43; HSchulG SH § 57; UWG §§ 3, 4 Nr. 11
Verfahrensgang
LG Kiel (Urteil vom 18.12.2009; Aktenzeichen 14 O 70/09) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin vom 5.1.2010 wird das am 18.12.2009 verkündete Urteil des LG Kiel, Az. 14 O 70/09, geändert.
Der Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Wochen, oder einer jeweils festzusetzenden Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall auch Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken neben seiner Berufsbezeichnung "Steuerberater" den slowakischen Grad "dr filozofie" in der abgekürzten Form "Dr." ohne fachlichen Zusatz in anderen Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland als in den Bundesländern Bayern und Berlin zu führen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten, dass dieser es unterlässt den Titel "Dr." ohne fachlichen Zusatz zu führen, und zwar in allen Bundesländern mit Ausnahme von Bayern und Berlin.
Der Beklagte ist Steuerberater und Mitglied der Klägerin, der zuständigen Berufsvereinigung. Ihm wurde nach abgelegter Doktorprüfung in der Fachrichtung "Management, Spezialisierung: Finanzmanagement und Dienstleistungen im Finanzwesen" am 11.11.2004 von der Comenius-Universität in Bratislava/Slowakei der akademische Grad "doktor filozofie" (Abkürzung: "PhDr.") verliehen (Anlage K 1). Der Beklagte ist für die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft P. tätig und betreut von der ... Niederlassung aus Mandanten im gesamten Bundesgebiet und im europäischen Ausland. Er hat seine Hauptwohnung in Bayern und eine Nebenwohnung in D. angemeldet. Der Kläger nutzt den Titel "Dr." neben seiner Berufsbezeichnung "Steuerberater" auf eigenen Briefbögen. Seine Mandate führt er mit diesem Titel unter dem Briefkopf der P.. Der Beklagte verweigerte die Abgabe der mit Abmahnungsschreiben vom 2.6.2009 verlangten Unterlassungserklärung.
Die Klägerin hat die Benutzung des Titels in der vom Beklagten gewählten Form als irreführende Angabe im Geschäftsverkehr i.S.d. § 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG angesehen. Sie hat auf § 57 Hochschulgesetz Schleswig-Holstein sowie § 43 StBerG verwiesen und gemeint, der Beklagte dürfe den Titel nach Art. 6 Abs. 1 des deutsch-slowakischen Abkommens über die gegenseitige Anerkennung der Gleichwertigkeit von Bildungsnachweisen im Hochschulbereich und dem Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 21.9.2001 in der Fassung vom 5.7.2007 nur in der Form führen, in der er ihm verliehen sei, und zwar unter Angabe des fachlichen Zusatzes und mit Herkunftszusatz. Bei dem dem Beklagten verliehenen Titel handele es sich um einen "kleinen Doktorgrad", der mit einem Diplom vergleichbar und in 1-2 Semestern zu erhalten sei. Er sei in der Slowakei nicht der 3. Ebene der Bologna-Klassifikation zugeordnet.
Die Klägerin hat mit ihrer Klage die Unterlassung der Benutzung des Titels in dieser Form begehrt. Der Beklagte ist dem entgegengetreten.
Er hat behauptet, der ihm verliehene Titel sei mit der 3. Ebene der Bologna-Klassifikation und sein Erfahrungsschatz mit dem eines deutschen Doktoranden vergleichbar. In der Slowakei sei die Führung des Titels in der Form des "Dr." üblich, so dass ihm dies auch hier gestattet sein müsse. Das Vorgehen der Klägerin verstoße gegen die in Art. 39 und 43 EGV garantierten Rechte der Freizügigkeit. Zudem könne der von der Klägerin beanspruchte Schutz des Rechtsverkehrs nicht erreicht werden, weil das Führen des Titels in der von ihm verwendeten Form in Bayern und Berlin - unstreitig - zulässig sei.
Mit dem angegriffenen Urteil hat das LG die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, zum einen handele es sich bei § 57 HochschulG und bei § 43 StBerG nicht um Marktverhaltensregeln i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG, sondern um berufsrechtliche Regelungen. Außerdem sei auch keine Irreführung gegeben, weil sich der durchschnittliche Verbraucher heute gar keine Vorstellung mehr davon mache, ob der Dr.-Titel im In- oder Ausland und für welchen Fachbereich er erworben wurde und ob die Voraussetzungen für den Erwerb eines Titels in den Bundesländern unterschiedlich geregelt seien. Wer sich ...