Leitsatz (amtlich)

§ 19 a ZPO betrifft nur Klagen, die sich gegen die Insolvenzmasse richten.

 

Orientierungssatz

Örtliche Zuständigkeit des Gerichts für Aktivprozesse des Insolvenzverwalters.

 

Normenkette

ZPO § 91a

 

Beteiligte

Rechtsanwälte Dr. Elsner, Zarnekow, Soblik, Dr. Wolter, Rüping und Dr. Hansen

Rechtsanwälte Dres. Tischler, Carstensen, Schulz und Punke

 

Verfahrensgang

LG Lübeck (Aktenzeichen 8 O 40/00)

 

Tenor

Das Urteil des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen I des Landgerichts Lübeck vom 20. April 2000 – 8 O 40/00 – wird aufgehoben.

Auf Antrag des Klägers wird das Landgericht Lübeck für unzuständig erklärt und der Rechtsstreit an das zuständige Landgericht Hamburg verwiesen.

Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,00 DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Wert der Beschwer beträgt 200.000,00 DM.

 

Tatbestand

Der Kläger mit Sitz in Lübeck ist in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma M. GmbH mit Sitz in A. vom zuständigen Amtsgericht Eutin zum Insolvenzverwalter bestellt worden. In dieser Eigenschaft nimmt er den Beklagten, alleiniger Gesellschafter der Gemeinschuldnerin, auf Rückzahlung eines Darlehens in Anspruch, nachdem er unter dem 12. November 1999 einen in Hamburg geschlossenen Verzichtsvertrag zwischen der Gemeinschuldnerin und dem Beklagten angefochten hat. Die Parteien streiten zunächst ausschließlich um die örtliche Zuständigkeit gemäß § 19 a ZPO. Der Kläger, der in größerem Umfange als Insolvenzverwalter tätig ist, möchte über dieses Verfahren eine grundsätzliche Klärung der Zuständigkeit bewirken.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 200.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 17. Dezember 1999 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Unter Hinweis auf seinen allgemeinen Gerichtsstand in Hamburg hat der Beklagte die Zuständigkeit des Landgerichts Lübeck gerügt.

Das Landgericht Lübeck ist diesem Einwand gefolgt und hat auf die Rüge die Klage durch Prozeßurteil abgewiesen. Das Landgericht sei örtlich nicht zuständig. Ein besonderer Gerichtsstand werde auch nicht gemäß § 19 a ZPO begründet. Denn dieser Gerichtsstand gelte nur für Passivprozesse gegen den Insolvenzverwalter.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger rechtzeitig Berufung eingelegt und nachfolgend form- und fristgerecht begründet.

Der Kläger hält an seiner in der ersten Instanz vertretenen Auffassung fest. Unter ergänzender Bezugnahme auf seine Ausführungen in DZWIR 2000, 195, vertritt der Kläger weiterhin die Auffassung, daß sich die Zuständigkeit des Landgerichts aus § 19 a ZPO ergebe.

Der Kläger beantragt,

  • das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, an ihn 200.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 17. Dezember 1999 zu zahlen,
  • hilfsweise

    den Rechtsstreit an das zuständige Landgericht Hamburg zu verweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst den darin enthaltenen Bezugnahmen verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Auf den Hilfsantrag des Klägers war der Rechtsstreit nach § 281 Abs. 1 ZPO an das zuständige Landgericht Hamburg (§§ 12, 13 ZPO) zu verweisen.

Ein Verweisungsantrag nach § 281 ZPO kann auch in der Berufungsinstanz gestellt werden (vgl. BGHZ 10, 155, 163; BGH NJW-RR 1988, 1405). Die an sich durch Beschluß zulässige Verweisung erfolgt in diesem Fall durch Urteil unter gleichzeitiger Aufhebung des Urteils der Vorinstanz (vgl. BGH NJW-RR 1988, 1405).

Die Voraussetzungen einer Verweisung nach § 281 ZPO liegen vor.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht Lübeck die Klage abgewiesen. Das Landgericht Lübeck ist örtlich unzuständig. Die örtliche Zuständigkeit könnte sich hier nur aus § 19 a ZPO ergeben. Entgegen der Auffassung des Klägers erfaßt § 19 a ZPO aber nur Klagen, die sichgegen die Insolvenzmasse richten.

Soweit ersichtlich, gibt es über die angefochtene Entscheidung hinaus keine Rechtsprechung zur Frage der Anwendbarkeit des § 19 a ZPO auch auf Aktivprozesse des Insolvenzverwalters. In der Kommentarliteratur wird ganz überwiegend die Auffassung vertreten, daß § 19 a ZPO nur den Gerichtsstand für massebezogene Passivprozesse regele (Zöller-Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 19 a Rz. 1; Thomas/Putzo, ZPO, 23. Aufl., § 19 a Rz. 2; Musielak, ZPO, 2. Aufl., § 19 a Rz. 4). Die Gegenauffassung (Hartmann, ZPO, 59. Aufl., § 19 a, Rz. 3) bejaht die Anwendbarkeit des § 19 a ZPO auch auf Klagen des Insolvenzverwalters. Der Wortlaut sei weit gefaßt („bezieht sich”). Der Kläger hat in seinem o. g. Aufsatz zudem darauf hingewiesen, daß die ursprünglich eingeschränkte Anwendung des § 31 a des Regierungsentwurfs zur Änderung der ZPO („für Klagen geg...

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