Leitsatz (amtlich)

Zivilgerichte sind nur bei einem Verstoß gegen das Willkürverbot nicht an den vorzeitigen Pensionierungsbescheid eines Bundesbeamten gebunden.

 

Normenkette

BBG §§ 44, 78; StVG §§ 7, 17; VVG § 115

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 25. April 2019 verkündete Urteil des Einzelrichters der 13. Zivilkammer des Landgerichts Kiel teilweise geändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Verkehrsunfall, der sich am 17. Juli 2014 in Kiel ereignete.

Bei diesem kollidierte der Kläger mit dem Motorrad mit einem bei der Beklagten versicherten Pkw. Die volle Haftung der Beklagten für alle Schäden aus dem Verkehrsunfall ist nicht im Streit. In diesem Rechtsstreit geht es ausschließlich um Verdienstausfallansprüche des Klägers, die im Zusammenhang mit seiner Versetzung in den Ruhestand zum 31. Dezember 2016 in Höhe des Differenzbetrages zwischen den aktiven Dienstbezügen und dem Ruhegehalt ab dem 1. Januar 2017 bereits entstanden sind oder entstehen werden. Geltend gemacht werden mtl. 1.293,27 EUR.

Der Kläger wurde am ...1967 geboren und arbeitete als Beamter bei der Bundesagentur für Arbeit.

Sein Tätigkeitsfeld bestand im Forderungseinzug im Bereich regionales Forderungsmanagement. Seit dem 15.11.2011 war er durchgängig wegen einer Überlastung und Verspannung im Hals-, Nacken- und Schulterbereich und eines depressiven Erschöpfungszustandes dienstunfähig. Für die Einzelheiten zur gesundheitlichen Entwicklung des Klägers ab August 2011 bis zum Unfall wird auf die Darstellung im Sachverständigengutachten Prof. Dr. L. vom 12. Februar 2018 (Bl. 59 ff. d. A.) Bezug genommen.

Am 25. März 2013 erstellte der Städt. Medizinaldirektor Dr. Dr. P. für das Amt für Gesundheit der Landeshauptstadt Kiel folgende Stellungnahme (vgl. Anlage K14, Bl. 126 f. d. A.):

"Herr V. kann eine Tätigkeit als Fachkraft ... bei der ... auch weiterhin ausüben. Herr Voß ist - testpsychologisch nachgewiesen - in erhöhtem Maße störanfällig und ablenkbar, was sich mit den von ihm beschriebenen Schwierigkeiten hinsichtlich Aufmerksamkeit und Konzentration in einem Großraumbüro in Verbindung bringen lässt. Hirnorganisch bedingte, kognitive Minderungen der Leistungsfähigkeit konnten hingegen testpsychologisch nicht objektiviert werden. Daraus ist zu folgern, dass Herr V. nicht mehr in einem Großraumbüro eingesetzt werden kann. Die Bürogröße darf 4-5 Arbeitsplätze nicht übersteigen. Herr V. ist ab dem ...2013 mit gestaffelt zunehmender Belastbarkeit (Hamburger Modell) wieder einsetzbar. Dabei sollte er zunächst für die Dauer von 2 Wochen mit 4 Stunden täglich eingesetzt werden, für die weitere Dauer von 4 Wochen 6 Stunden täglich, danach voll."

Ab dem 2. September 2013 erfolgte die stufenweise Wiedereingliederung des Klägers in den Beruf. Der Kläger erhielt ein eigenes Büro und arbeitete in der Rechtsbehelfsstelle. Ab dem 1. Februar 2014 arbeitete er an 4 Tagen in der Woche je 6 Stunden. Planmäßig sollte der Dienst am 1. September 2014 wieder aufgenommen werden.

Dem kam allerdings der streitgegenständliche Verkehrsunfall (17.07.2014) zuvor. Der Kläger erlitt hierbei eine offene distale Tibiafraktur links, eine Decollementverletzung an der Ferse links, eine Skapularfraktur rechts, eine Rippenfraktur an der 3.-5. Rippe rechts und eine Schnittverletzung an der rechten Hand. Er befand sich bis zum 29. Juli 2014 aufgrund des Unfalls stationär in der Klinik für Unfallchirurgie des UKSH in Kiel. Er wurde dann in gutem Allgemeinzustand bei Bestehen von Restbeschwerden des linken Beines in die weitere ambulante Behandlung entlassen. Wegen der weiteren Einzelheiten - auch zum Therapieverlauf - wird auf den Entlassungsbericht des UKSH in Kiel vom 29. Juli 2014 (vgl. Anlage K2, Bl. 8 f. d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger begab sich sodann in die ambulante Behandlung bei Prof. Dr. S., die bis zum 8. Juli 2017 fortdauerte. Am 28.02.2015 erfolgte eine weitere Begutachtung durch den Amtsarzt Dr. Dr. P. (Gutachten vom 02.06.2015, Bl. 314 - 317 GA). Dem Kläger wurde eine fortdauernde Dienstunfähigkeit bescheinigt, wobei allerdings "voraussichtlich im März 2016" mit einer Wiederherstellung wahrscheinlich wieder gerechnet werden könne. Im Rahmen der ambulanten Therapie bei Prof. Dr. S. erfolgte eine Vorstellung am 12. Juli 2016 über die im Arztbericht u. a. festgehalten ist:

"Herr V. stellte sich heute nochmals zur Verlaufskontrolle vor und berichtet, dass (er) weiterhin subjektiv noch belastungsabhängige Schmerzen habe, auch weiterhin noch einen Kompressionsstrumpf tragen müsse, ohne den es z...

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