Leitsatz (amtlich)
1. Ein auf Verbot der Nutzung von Geschäftsgeheimnissen gerichteter Unterlassungsantrag kann hinreichend bestimmt sein, auch wenn das Geschäftsgeheimnis weder im Antrag genannt wird noch Aktenbestandteil geworden ist.
2. Angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GeschGehG können je nach den Umständen des Einzelfalles auch dann vorliegen, wenn die für den Inhaber des Geschäftsgeheimnisses handelnden Personen keine ausdrückliche Vertraulichkeitsvereinbarung getroffen haben und vertragliche Verschwiegenheitsklauseln unwirksam sind.
3. Ein allein im Individualinteresse des Rechtsverletzers ausgeübtes "Whistleblowing" begründet kein berechtigtes Interesse zur Nutzung des Geschäftsgeheimnisses i. S. d. § 5 GeschGehG.
Normenkette
GeschGehG § 2 Abs. 1 Buchst. b, §§ 5-7; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 11.06.2021, Az. 2 O 17/21, wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Lübeck ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung in der Hauptsache durch Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,00 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet. Sie kann die Vollstreckung wegen der Kosten in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckten Betrages leistet.
Gründe
I. Die Parteien und ihre jeweiligen Tochtergesellschaften bieten Immobilienbewertungen für die Kreditwirtschaft an. Im Jahr 2009 gründeten sie auf der Grundlage eines Kooperationsvertrages (Anl. K 4) die Joint-Venture Gesellschaft H-GmbH, die mittlerweile Anlass zu Auseinandersetzungen zwischen den Parteien ist. Sie führten unter anderem ein dem jetzigen Verfahren vorausgehendes einstweiliges Verfügungsverfahren, das in der Berufung vor dem Senat unter dem Aktenzeichen 6 U 25/20 anhängig war.
Die H-GmbH verpflichtete sich gegenüber der P-AG zu Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Bewertung von Grundstücken. Diese Dienstleistungen vergab die H-GmbH weiter an die Klägerin, die ihrerseits das Unternehmen I-AG mit einem Teil der Leistungen - den Objektbesichtigungen - beauftragte. Die Klägerin ist an der I-AG beteiligt. Die I-AG wiederum erteilte Unteraufträge. Die Beklagte will davon erst im Jahr 2016 nach dem Erwerb eines Anteils an einem der unterbeauftragten Unternehmen erfahren haben.
Die Beklagte hält schon die Unterbeauftragung der I-AG für einen Verstoß gegen die Kooperationsvereinbarung, jedenfalls aber die dafür von der Klägerin zu Lasten der H-GmbH abgerechneten Kosten für überhöht. Sie erhob gegen die hiesige Klägerin vor dem Landgericht Berlin Stufenklage auf Auskunft und Rechnungslegung über die abgerechneten Kosten und Zahlung von Schadensersatz in einer nach Erteilung der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe. Das Landgericht Berlin verurteilte die hiesige Klägerin mit Urteil vom 07.05.2019 in der Auskunftsstufe - unter Abweisung des weitergehenden Auskunftsantrags - wie folgt:
"Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu geben,
1.1. seit wann die Beklagte der H- GmbH (...) Leistungen der I-AG in Rechnung stellt
1.2 durch Rechnungslegung über sämtliche Beträge, die von der Beklagten aufgrund der Unterbeauftragung der I-AG zur Erbringung von Dienstleistungen gegenüber Kunden der H-GmbH an die I-AG gezahlt wurden, nebst Vorlage sämtlicher den an die I-AG gezahlten Beträgen zugrundeliegenden Rechnungen zur Einsichtnahme,
1.3 durch Rechnungslegung über sämtliche für die Erbringung von Dienstleistungen gegenüber Kunden der H-GmbH bei der Beklagten angefallenen Kosten einschl. Kosten aus der Unterbeauftragung der I-AG ab dem Zeitpunkt, seit dem die I-AG für diese Dienstleistungen unterbeauftragt wurde."
Beide Parteien legten Berufung ein. Die Berufung der hiesigen Klägerin (dortigen Beklagten) hatte teilweise Erfolg. Das Kammergericht wies mit Urteil vom 02.07.2020 (Anl. K 2) die Auskunftsklage insgesamt ab, weil kein begründeter Verdacht bestünde, dass die hiesige Klägerin gegen Pflichten aus dem Joint-Venture-Vertrag verstoßen habe (Urteil KG UA S. 15). Es hat die Stufenklage jedoch nicht insgesamt abgewiesen. Auch wenn bislang keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen Verstoß der hiesigen Klägerin gegen Ziffer 2 des Joint-Venture-Vertrages dargelegt worden seien und somit ein diesbezüglicher Auskunftsanspruch nicht bestünde, heiße dies nicht zwingend, dass entsprechende Schadensersatzansprüche der hiesigen Beklagten bzw. der H-GmbH von vornherein ausgeschlossen wären. Eine über die Auskunftsansprüche hinausgehende Klagabweisung komme daher nicht in Betracht. Der Beklagten dürfe nicht die Gelegenheit versagt werden, in dem fortzusetzenden Rechtsstreit den Leistungsantrag auf anderweitiger Grundlage zu beziffern (ebd....