Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Notars bei unterbliebener Belehrung über schwebende Unwirksamkeit eines Vertrages
Leitsatz (amtlich)
1. Der Notar verletzt seine Amtspflichten, wenn er die Urkundsbeteiligten nicht auf die Rechtsfolgen eines Vertretungsmangels (schwebende Unwirksamkeit eines Vertrages) hinweist und hierüber – wenn die Beteiligten auf einer Beurkundung bestehen – in der Urkunde einen Vermerk aufnimmt. Fehlt dieser Zweifelsvermerk, hat der Notar die erfolgte Belehrung zu beweisen.
2. Auf eine anderweitige Ersatzmöglichkeit i.S.d. § 19 Abs. 1 S. 2 BNotO – hier: Inanspruchnahme eines Urkundsbeteiligten – darf der Geschädigte nur verwiesen werden, wenn diese in angemessener Zeit zumutbar realisiert werden kann.
Verfahrensgang
LG Lübeck (Urteil vom 28.12.2001; Aktenzeichen 12 O 82/99) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 28.12.2001 verkündete Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des LG Lübeck geändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.258,38 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 10.3.1999 Zug um Zug gegen Abtretung seines Anspruchs aus dem Urteil des LG Lübeck im Verfahren 12 O 103/97 vom 22.1.1998 i.H.v. 12.258,38 Euro (= 200.000 DM) zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
Die Anschlussberufung wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 140.000 Euro abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 12.258,38 Euro.
Tatbestand
Der Kl. nimmt den verklagten Notar wegen Amtspflichtverletzung auf Schadensersatz in Anspruch.
Der Bekl. hatte einen Vertrags zwischen der Grundstücksverkäuferin S., dem Bauunternehmer P. und dem Kl. über die Veräußerung eines noch zu bildenden Wohnungserbbaurechts mit Bauverpflichtung zu beurkunden. Bei der Beurkundung war P. nicht zugegen, so dass der Kl. für diesen nach dem Wortlaut des Vertrages als dessen Vertreter auftrat, ohne hierzu bevollmächtigt zu sein. Unmittelbar nach Beurkundung überreichte der Kl. der Verkäuferin S: anforderungsgemäß einen Scheck und zahlte in der Folgezeit nach dem vereinbarten Ratenplan weitere Kaufpreisraten. Der P. genehmigte den Vertrag nicht, die S. geriet später in Vermögensverfall. In einem zu 12 O 103/07 des LG Lübeck geführten Schadensersatzprozess wurde die S. zur Leistung der an sie gezahlten 200.000 DM zzgl. Notarkosten verurteilt, da sie – wie das LG feststellte – mit dem P. zu Lasten des Kl. kollusiv zusammengewirkt habe.
Zwischen dem Kl. und dem nunmehr verklagten Notar ist streitig, ob dieser den Kl. auf die Rechtsfolgen der mangelnden Vertretungsmacht des Kl. Für den P. hingewiesen hatte. Die fragliche Urkunde enthielt einen entspr. Belehrungsvermerk nicht.
Das LG hat der Klage nach Beweisaufnahme durch u.a. Vernehmung der Verkäuferin S. als Zeugen nur zum Teil stattgegeben, da seiner Auffassung trotz einer dem Grunde nach bestehenden Haftung des Bekl. der Kl. durch eine frühere Klagerhebung gegen die S. im Sinne einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit den Schaden hätte vermindern können.
Die eine weitere Verurteilung erstrebende Berufung des Kl. hatte im Wesentlichen Erfolg.
Der Kläger nimmt den Beklagten aus Amtspflichtverletzung im Zusammenhang mit der notariellen Beurkundung eines Vertrages in Anspruch.
Der Beklagte beurkundete zu seiner Urkundenrolle Nr. …/1995 unter dem 18.12.1995 einen Vertrag zwischen der Zeugin S. als Verkäuferin, einem Herrn P. als Bauunternehmer und dem Kläger als Käufer. Allerdings war der Bauunternehmer wie schon bei einem zuvor angesetzten Beurkundungstermin nicht erschienen. Der Beklagte, der Kläger und die Verkäuferin warteten eine Weile. Anschließend führten sie die Beurkundung ohne Anwesenheit des Herrn P. durch. Nach dem Wortlaut des Vertrages trat der Kläger als dessen Vertreter auf. Er war dazu nicht bevollmächtigt.
Nach dem Vertrag sollte die Verkäuferin ein noch zu bildendes Erbbaurecht an einem bestimmten Grundstück in Lübeck erwerben, das nach dem Erwerb in zwei Wohnungserbbaurechte geteilt werden sollte. Die Verkäuferin verpflichtete sich, das hintere dieser beiden Wohnungserbbaurechte an den Kläger zu übertragen. Der Bauunternehmer verpflichtete sich, den auf dem hinteren Grundstücksteil zu errichtenden Baukörper nach einer anliegenden Baubeschreibung herzustellen. Hinsichtlich der Leistungen des Bauunternehmers wurden in der vorbereiteten Anlage noch während des Beurkundungstermins auf Wunsch des Klägers Änderungen vorgenommen.
In diesem Vertrag heißt es u.a.:
„§ 3 Kaufpreis
Der Kaufpreis für das Objekt beträgt 398.000 DM.
Der Kaufpreis ist fällig und zahlbar wie folgt:
65.000 DM bei Vertragsabschluss,
35.000 DM nach Fertigstellung der Etagendecke …
Sämtliche Zahlungen erfolgen auf das Konto der Verkäuferin …
§ 4 Sicherstellung des Käufers
Zur Sicherung des ...