Leitsatz (amtlich)
1. Zur Gefahrerhöhung in der Rohbaufeuerversicherung
2. Zur Prozessführungsbefugnis in der Gebäudeversicherung bei Beschlagnahme des Grundstücks im Zwangsversteigerungsverfahren
Normenkette
VVG §§ 1, 82-83; VGB 2002 §§ 1-2, 4, 23, 26; BGB §§ 123, 133, 157, § 1127 ff.; VVG § 22; ZPO § 265; ZVG §§ 20, 55, 59, 65
Verfahrensgang
LG Itzehoe (Urteil vom 05.02.2008; Aktenzeichen 3 O 177/07) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 5.2.2008 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Itzehoe wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Beklagte verurteilt wird, den ausgeurteilten Betrag im Hinblick auf das Zwangsversteigerungsverfahren vor dem AG Hamburg-Harburg (616 K 61/07) zu hinterlegen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsrechtszuges.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer Gebäudeversicherung, die mit Beginn 1.3.2005 und Ablauf 1.3.2011 mit dem Zusatz "für die Bauzeit, längstens für 12 Monate, besteht eine prämienfreie Rohbaufeuerversicherung" abgeschlossen worden ist, wegen eines Schadensfalls vom 9.5.2006, bei dem an dem immer noch im Rohbauzustand befindlichen Gebäude gemäß des unstreitigen Schadensgutachtens ein Zeitwertschaden von 167.376,22 EUR, von dem die Klägerin stets nur 164.930,13 EUR geltend gemacht hat, und unter ergänzender Berücksichtigung der Kosten für behördliche Auflagen (32.482,61 EUR), Aufräumungs- und Abbruchkosten (26.430,94 EUR) sowie Sachverständigenkosten (1.131 EUR) ein Schaden von 227.420,77 EUR entstanden ist. Die Differenz von 2.446,09 EUR hinsichtlich des Zeitwertschadens beruht darauf, dass die Klägerin der Berechnung der Klageforderung einen Entwurf des Schadensgutachtens zugrunde gelegt hat (Bl. 4, Bl. 25). Die Sachverständigenkosten macht sie nicht geltend.
Die Sparkasse S hatte der Klägerin ein Darlehen über 250.000 EUR gewährt. Zur Sicherung des Darlehensrückzahlungsanspruchs ist eine Buchgrundschuld über 250.000 EUR eingetragen worden. Die Beklagte zahlte am 15.10.2007 den festgestellten Zeitwertschaden i.H.v. 167.376,22 EUR an die Sparkasse S. Am 24.10./1.11.2007 schlossen die Beklagte und die Sparkasse S über diesen Betrag eine Abtretungsvereinbarung. Unter dem Az. 616 K 61/07 ist beim AG Hamburg-Harburg hinsichtlich des brandbetroffenen Grundstücks ein Zwangsversteigerungsverfahren anhängig.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 223.843,68 EUR nebst fünf Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, d.h. seit dem 31.8.2007, zu zahlen, und hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an die Sparkasse Südholstein 167.376,22 EUR nebst Zinsen - wie vorgenannt - und den Restbetrag zu der Summe gemäß des Ausgangsbetrages, d.h. 56.467,46 EUR an die Klägerin zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das LG hat der Klage dem Grunde nach in vollem Umfang stattgegeben, wobei es hinsichtlich des Zeitwerts von dem geringeren Ansatz der Klägerin ausgegangen ist, woraus sich zzgl. Aufräumungs- und Abbruchkosten von 26.430,94 EUR sowie Mehrkosten wegen behördlicher Auflagen von 32.482,61 EUR ein Betrag von 223.843,68 EUR ergibt. Dagegen hat es die Hilfsaufrechnung mit dem abgetretenen Betrag durchgreifen lassen, woraus sich wiederum der Urteilsausspruch i.H.v. 56.467,36 EUR ergibt.
Das LG hat seiner Entscheidung das Bestehen einer Rohbaufeuerversicherung über die Ende Februar 2006 ablaufenden 12 Monate hinaus zugrunde gelegt. Ausgehend von einem Rohbau hat es trotz der Zugänglichkeit des Hauses sowohl eine Gefahrerhöhung gem. § 23 VGB 2002 als auch eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls i.S.v. § 61 VVG verneint. Soweit die Beklagte auf Stilllegungsverfügungen wegen statischer Veränderungen hingewiesen hat, hat das LG eine Gefahrerhöhung durch eine solche Verfügung verneint.
Den Beweis der Eigenbrandstiftung hat es auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlich schlechten Verhältnisse der Klägerin und ihres Ehemannes nicht als geführt angesehen, § 61 VVG. Ferner hat es eine arglistige Täuschung im Hinblick auf die Formulierung des Versicherungsantrags zum Zustand des Gebäudes sowie im Hinblick auf die Nichtangabe des Schwammbefalls verneint.
Die Aktivlegitimation der Klägerin hat das LG bejaht, da das Vorbringen der Beklagten zur Pfandreife i.S.d. §§ 1282, 1228 Abs. 2 BGB nicht hinreichend konkret sei.
Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen
- die Verurteilung zur Zahlung an die Klägerin und die Sparkasse gemeinschaftlich
- die Ausführungen zur Verlängerung der Rohbauversicherung
- die Ausführungen zur Gefahrerhöhung gem. § 23 VGB 2002 wegen des fortbestehenden Rohbauzustandes
- die Ausführungen des LG wegen der Leistungsfreiheit aufgrund vorgenommener statischer Veränder...