Entscheidungsstichwort (Thema)
Wertausgleich bei Verfügung entgegen bindendem Berliner Testament
Leitsatz (amtlich)
1. Haben Ehegatten in einem Berliner Testament ihre beiden Kinder wechselbezüglich zu je 1/2 zu Schlusserben eingesetzt und das Testament später durch eine Teilungsanordnung zugunsten eines ihrer beiden Kinder betreffend ein Grundstück ergänzt, ist der überlebende Ehegatte nicht gehindert, das Grundstück dem betreffenden Kind bereits zu Lebzeiten schenkweise zu übertragen. Angesichts seiner Bindung darf er aber dabei ohne Verstoß gegen § 2287 BGB keine von der Wertverteilung im Testament abweichende Wertverschiebung vornehmen und muss deshalb ggf. für einen Wertausgleich Sorge tragen.
2. Hat der Überlebende einem seiner bindend zu Schlusserben eingesetzten Kinder zu Lebzeiten mehr Grundstücke übertragen, als dem Wert des Erbteils dieses Kindes entspricht, geht der Anspruch des anderen Kindes aus § 2287 BGB in der Regel nur auf Wertersatz. Maßgeblich ist der Grundstückswert im Zeitpunkt des Erbfalls, wenn die Eheleute in ihrem Testament den Ausgleich betreffend dieses Grundstücks auch mit dem in diesem Zeitpunkt bestehenden Wert gewollt haben.
Normenkette
BGB § 2287
Verfahrensgang
LG Itzehoe (Urteil vom 26.10.2007; Aktenzeichen 10 O 94/07) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 26.10.2007 verkündete Schlussurteil der Einzelrichterin der 10. Zivilkammer des LG Itzehoe aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte zu 1) wird als Gesamtschuldnerin neben der Beklagten zu 2) verurteilt, an den Kläger 172.177,03 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.5.2007 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Der Beklagten zu 1) bleibt die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass ... vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten zu 1) wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung von 120 % des aus dem Urteil gegen sie vollstreckbaren Betrages abzuwenden, es sei denn, der Kläger leistet vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht gegen die Beklagten zu 1) und 2) als Miterbinnen nach seiner am 18.8.2009 verstorbenen Schwester einen Zahlungsanspruch i.H.v. 172.177,03 EUR geltend. Ursprünglich hatte der Kläger von seiner Schwester die Zahlung von insgesamt 300.000 EUR verlangt. Diese hatte den Anspruch des Klägers i.H.v. 127.822,97 EUR (= 250.000 DM) anerkannt. Das LG hat ein entsprechendes Anerkenntnisurteil am 31.8.2007 erlassen.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien erster Instanz einschließlich ihrer dortigen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils unter Einbeziehung sämtlicher dortiger Bezugnahmen verwiesen.
Das LG hat die Klage, soweit sie über den anerkannten Betrag hinausgeht, abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger seinen Zahlungsanspruch weder auf § 2287 BGB noch auf § 826 BGB noch auf § 2325 BGB stützen könne. Ein Anspruch aus § 2287 BGB sei nicht gegeben, da die Erblasserin den Kläger durch die Übertragung des Hausgrundstücks A ... an die Beklagte, d.h. an die inzwischen verstorbene Schwester des Klägers, nicht entgegen einer bindend gewordenen wechselbezüglichen Verfügung durch Schenkung beeinträchtigt habe. Das gemeinschaftliche Testament der Erblasserin und ihres Ehemannes von 1977 habe die wechselbezüglichen Verfügungen des Testaments von 1943 im Grundsatz nicht ändern, sondern nur ergänzen sollen. Bei der Anordnung, dass die Beklagte das Grundstück A.. unter der Bedingung der Auskehrung des hälftigen Verkehrswertes an den Kläger erhalten sollte, handele es sich nicht um eine wechselbezügliche Verfügung. Es liege insofern eine Teilungsanordnung gem. § 2048 BGB und kein Vorausvermächtnis vor. Teilungsanordnungen könnten aber gerade nicht vertragsmäßig und damit wechselbezüglich, sondern nur einseitig getroffen werden. Dass es sich um eine Teilungsanordnung handele, ergebe sich sowohl aus dem Wortlaut als auch aus dem vorgetragenen Willen der Erblasser. Mangels Bindung an die Teilungsanordnung sei die Erblasserin nach dem Tod ihres Ehemannes nicht daran gehindert gewesen, über die Immobilie A ... eine anderweitige Verfügung zu treffen.
Ein Anspruch aus § 826 BGB scheide aus, da der Kläger eine sittenwidrige Schädigung oder ein kollusives Zusammenwirken der Erblasserin mit der Beklagten nicht dargelegt habe.
Der Kläger habe auch keinen Pflichtteilsergänzungsanspruch gem. § 2325 Abs. 1 BGB. Ein solcher Anspruch ergebe sich weder aus der Übertragung des Grundstücks B. noch des Grundstücks A. an die Beklagte. Hinsichtlich der Schenkung des Grundstücks B. scheitere ein Pflichtteilsergänzungsanspruch bereits an der Zehn-Jahres-Frist des § 2325 Abs. 3 BGB. Der Fristbeginn sei zwar aufgrund des Nießbrauchsvorbehalts bis zur Aufgabe dieses Rechts im Jahr 197...