Verfahrensgang
LG Flensburg (Urteil vom 31.01.2003; Aktenzeichen 6 O 141/02) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das am 31. Januar 2003 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Flensburg teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.048,30 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 29. Oktober 2002 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 10 % und die Beklagte 90 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
I.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten, die vorläufige Insolvenzverwalterin im Verfahren über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der H. Nord GmbH (im Folgenden Schuldnerin) war, Schadensersatz in Höhe von 5.609,22 EUR mit der Begründung, dass sie nur aufgrund des Verhaltens der Beklagten Kaufverträge mit der Schuldnerin geschlossen habe, die die Schuldnerin nicht erfüllt habe (ausbleibende Kaufpreiszahlungen).
Das Landgericht hat der Klage mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und wegen der Begründung Bezug genommen wird, abgewiesen.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihr erstinstanzliches Ziel der Klagabweisung weiter. Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die Berufungsbegründung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat nur zu einem Teil Erfolg. Die Klage ist zulässig (1.) und in Höhe von 5.048,30 EUR (2.) nebst den ausgeurteilten Zinsen (3.) begründet.
1. Die Klage ist zwar ihrem Wortlaut nach gegen die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Insolvenzverwalterin gerichtet. Gegen einen Insolvenzverwalter kann grundsätzlich wegen Masseverbindlichkeiten Leistungsklage erhoben werden. Hat der Insolvenzverwalter aber nach § 208 InsO Masseunzulänglichkeit angezeigt, so ist eine Leistungsklage nicht mehr zulässig (BGH ZIP 2003, 914). Wäre also die Beklagte nicht persönlich verklagt, wäre die Klage unzulässig, da die Beklagte unstreitig schon vor Klagerhebung Masseunzulänglichkeit angezeigt hatte. Die Auslegung der Klage ergibt aber, dass ungeachtet des anders lautenden Rubrums die Beklagte persönlich verklagt sein soll. Die Klägerin stützt sich in der Klage ausdrücklich auf § 61 InsO. § 61 InsO begründet eine Schadensersatzpflicht des Insolvenzverwalters persönlich. Aus der Erwähnung von § 61 InsO in der Klage folgt, dass die Beklagte persönlich diejenige Person sein soll, gegen die sich die Klage richtet.
2. Die Klägerin kann zwar von der Beklagten nicht, wie sie meint, gemäß § 61 InsO Schadenersatz beanspruchen (a.), wohl aber aus §§ 311 Abs. 2, 280 BGB, und zwar in Höhe von 5.048,30 EUR (b.).
a. Als Anspruchsgrundlage für das Schadensersatzbegehren der Klägerin greift § 61 InsO nicht ein. § 61 InsO gilt zwar gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO auch für den vorläufigen Insolvenzverwalter. § 61 InsO setzt aber voraus, dass eine Masseverbindlichkeit begründet worden ist. Durch Rechtsgeschäfte entstehen Masseverbindlichkeiten, wenn sie der Insolvenzverwalter (§ 55 Abs. 1 Nr. InsO) oder der „starke” vorläufige Insolvenzverwalter (§ 55 Abs. 2 Satz 1 InsO) vorgenommen hat. Eine analoge Anwendung von § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO, der für Dauerschuldverhältnisse in bestimmten Fällen eine entsprechende Anwendung von § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO vorsieht, auf Rechtshandlungen des „schwachen” vorläufigen Insolvenzverwalters kommt nicht in Betracht (BGH ZinsO 2002, 1625). Die Beklagte war unstreitig nur „schwache” vorläufige Insolvenzverwalterin.
b. Die Beklagte schuldet der Klägerin gemäß §§ 311 Abs. 2, 280 BGB Schadensersatz.
Zwischen den Parteien ist ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB entstanden. Ein solches entsteht gemäß § 311 Abs. 3 BGB zwischen einem Vertragspartner und einem Dritten, wenn der Dritte im besonderen Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst. Die Beklagte hat aufgrund ihrer Stellung als vom Gericht eingesetzte vorläufige Insolvenzverwalterin besonderes Vertrauen für sich in Anspruch genommen.
Sie hat durch ihr Schreiben vom 15. April 2002 bewirkt, dass es zu Kaufverträgen zwischen der Schuldnerin und der Klägerin gekommen ist. Es liegt auf der Hand, dass die Klägerin nach dem Beschluss des Amtsgerichts Flensburg vom 26. März 2002 über die Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters keine Leistungen mehr an die Schuldnerin erbracht hätte, wenn sie nicht davon ausgegangen wäre, dass die Gegenleistung gesichert wäre. Nach dem nachvollziehbaren und einleuchtenden Vortrag der Klägerin hat sie das Schreiben der Beklagten vom 15. April 2002 als entsprechende Absicherung aufgefasst.
Die Entscheidung BGHZ 100, 346 ff., nach der ein Konkursverwalter persönlich nur ausnahmsweise aus Verschulden bei Vertragsschluss (culpa in contrahendo) haftet, steht der Annahme, dass zwischen...