1 Leitsatz
§ 37a Abs. 1 Nr. 1a AGJusG Saarland gilt auch bei Streitigkeiten zwischen Wohnungseigentümern.
2 Normenkette
§ 15a EGZPO; § 37a Abs. 1 Nr. 1a AGJusG Saarland
3 Das Problem
Wohnungseigentümer K verklagt Wohnungseigentümer B1 und B2. B1 und B2 hörten in ihrer Wohnung häufig Musik in einer Lautstärke, die ihn in seiner eigenen Wohnung beeinträchtige und über die zulässigen Richtwerte hinausgehe. K beantragt daher, B1 und B2 als Gesamtschuldner zu verurteilen, es zu unterlassen, durch eine Geräuschentwicklung von über 35 dB bzw. 25 dB (A) in der Zeit von 22 Uhr bis 7 Uhr werktags, bzw. an Sonn- und Feiertagen durch Abspielen von Musik zu stören. B1 und B2 meinen, es handele sich um eine nachbarrechtliche Auseinandersetzung. Mangels vorangegangenen Schlichtungsverfahrens sei deshalb die Klage bereits unzulässig. Das AG gibt der Klage nach Beweisaufnahme statt. Gegen dieses Urteil wenden sich B1 und B2.
4 Die Entscheidung
Mit Erfolg! Ob K einen Anspruch auf Unterlassung von Geräuschimmissionen habe, könne dahinstehen. Jedenfalls sei die Klage ohne vorangegangenes Schlichtungsverfahren unzulässig. Nach § 37a Abs. 1 Nr. 1a AGJusG Saarland sei die Erhebung einer Klage wegen der in § 906 BGB geregelten Einwirkungen, sofern es sich nicht um Einwirkungen von einem gewerblichen Betrieb handele, erst nach vorangegangenem Schlichtungsverfahren zulässig. § 37a Abs. 1 Nr. 1a AGJusG Saarland verweise nur auf die in § 906 BGB "geregelten Einwirkungen" wie Gase, Dämpfe, Gerüche, Rauch, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche Einwirkungen, nehme sie damit in seinen Tatbestand auf und unterwerfe den Streit hierüber dem Schlichtungsverfahren. Voraussetzung für seine Anwendbarkeit sei nicht, dass die Parteien Grundstückseigentümer seien. Fraglich könne nur sein, ob die zwischen den Wohnungseigentümern bestehende Sonderverbindung eine Gütepflicht ausschließe, ob also "nachbarrechtliche" Probleme zwischen Wohnungseigentümern ausschließlich nach den WEG-Regeln gelöst werden müssten. Dies sei zu verneinen. Hätte der Gesetzgeber die Gütepflicht zwischen Wohnungseigentümern ausschließen wollen, hätte er die in § 43 WEG genannten Ansprüche ganz oder teilweise in den Katalog des § 15a Abs. 2 EGZPO aufnehmen können. Die Kammer gehe auch davon aus, dass das WEG keine abschließenden Regelungen für das gesamte Verhältnis zwischen den Wohnungseigentümern enthalte. Auch der BGH habe im Verhältnis der Sondereigentümer bereits mehrfach einen analogen Rückgriff auf nachbarrechtliche Vorschriften zugelassen (Hinweis auf BGH, Urteil v. 25.10.2013, V ZR 230/12, Rz. 9 ff.).
Hinweis
- Nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EGZPO kann durch Landesgesetz bestimmt werden, dass die Erhebung bestimmter Klagen erst zulässig ist, nachdem von einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle versucht worden ist, die Streitigkeit einvernehmlich beizulegen.
- Soweit ein Land von der Möglichkeit des § 15a Abs. 1 Satz 1 EGZPO Gebrauch gemacht hat, ist in § 43 WEG unterfallenden Verfahren vor einer Klageerhebung nach Maßgabe des jeweiligen Landesgesetzes ggf. ein Einigungsversuch zu durchlaufen. In den Fällen des § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 EGZPO entfällt ein nach dem Landesgesetz bestehendes Schlichtungserfordernis nicht deshalb, weil der schlichtungsbedürftige Antrag im Rechtsstreit mit einem nicht schlichtungsbedürftigen Klageantrag verbunden wird.
- Ein Einigungsversuch unter den Wohnungseigentümern, zwischen diesen und der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer oder gegenüber Dritten – etwa zwischen 2 Wohnungseigentümergemeinschaften – kann für die in § 15a EGZPO genannten Streitigkeiten vorgeschrieben sein.
Für den Verwalter ist vor allem relevant die Möglichkeit eines Schlichtungsverfahrens in vermögensrechtlichen Streitigkeiten über Ansprüche, die 750 EUR nicht übersteigen, und in Streitigkeiten über nachbarrechtliche Ansprüche.
Überblick:
- § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGZPO. Wird bei einer Hausgeldklage von der Möglichkeit eines Mahn- oder Urkundsverfahrens Gebrauch gemacht, ist § 15a Abs. 1 EGZPO für die ggf. spätere Durchführung des streitigen Verfahrens nicht mehr anzuwenden. Für Anfechtungsklagen kommt ein obligatorisches Einigungsverfahren nach § 15a Abs. 2 Nr. 1 EGZPO nicht in Betracht, da diese gem. § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG binnen einer gesetzlichen Frist zu erheben sind.
- § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGZPO. Diese Regelung ist unter Wohnungseigentümern – etwa wegen Geräuschen – nicht anwendbar. Dies ist allerdings, wie der Fall zeigt, streitig. Für das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander gilt § 14 Nr. 1 WEG (Schultzky, AnwZert, MietR 8/2018). Eine Analogie zu §§ 904ff. BGB scheidet mangels Regelungslücke aus (Schultzky, AnwZert, MietR 8/2018).
Ausblick WEG-Reform
Die WEG-Reform wird an dem Problem nichts ändern.
5 Entscheidung
LG Saarbrücken, Urteil v. 15.5.2020, 5 S 24/19