Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
a) Anwaltliche Tätigkeit
Rz. 124
Der sachliche Anwendungsbereich des RVG knüpft an die berufliche Tätigkeit des Rechtsanwalts an. Er kann also nur die Erbringung berufsspezifischer anwaltlicher Leistungen nach dem RVG liquidieren. Eine positive Definition spezifischer anwaltlicher Tätigkeit enthält das RVG nicht. Es stellt in Abs. 2 nur umgekehrt bestimmte Tätigkeiten außerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs des RVG (Vormund, Betreuer, Pfleger, Verfahrenspfleger, Verfahrensbeistand, Testamentsvollstrecker, Insolvenzverwalter, Sachwalter, Mitglied des Gläubigerausschusses, Nachlassverwalter, Zwangsverwalter, Treuhänder oder Schiedsrichter; vgl. dazu Rdn 159 ff.). In Ermangelung einer vergütungsrechtlichen Definition muss das Leitbild anwaltlicher Tätigkeit daher der BRAO entnommen werden.
Rz. 125
Im Rahmen des § 1 ist daher stets zwischen dem persönlichen und dem sachlichen Anwendungsbereich zu unterscheiden. So können auch Nicht-Rechtsanwälte, bspw. Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer, Mitglied einer Rechtsanwaltskammer sein und damit nach Abs. 1 S. 3 dem persönlichen Geltungsbereich des RVG unterfallen. Allerdings können sie dennoch nicht nach dem RVG abrechnen, weil es insoweit an der anwaltlichen Tätigkeit und damit an der sachlichen Anwendbarkeit des RVG fehlt. Auch der Geschäftsführer einer Rechtsanwaltsgesellschaft ist gem. § 60 Abs. 1 S. 2 BRAO Mitglied der Rechtsanwaltskammer. Ist er aber kein Rechtsanwalt, wird durch die in Abs. 1 S. 1 enthaltene Einschränkung auf anwaltliche Tätigkeiten erreicht, dass er nicht nach dem RVG abrechnen kann.
b) Berufsbild
Rz. 126
Nach § 3 Abs. 1 BRAO ist der Rechtsanwalt der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten. Das Bild des Anwalts in der Öffentlichkeit wird geprägt durch den forensisch tätigen Juristen. Auch nach der historischen Entwicklung des anwaltlichen Berufsbildes bildet die Vertretung von Mandanten vor Gericht den Schwerpunkt anwaltlicher Berufsausübung.
Rz. 127
Dieses Bild ist jedoch zu eng. Die Funktion des Anwalts ändert sich mit der Entwicklung und Veränderung der Gesellschaft. Der Rechtsanwalt wird zunehmend nicht nur vor Gericht und Behörden tätig, sondern erteilt auf allen Rechtsgebieten Rat, um Streitigkeiten zu vermeiden oder beizulegen. Der Focus des anwaltlichen Selbstverständnisses hat sich daher zunehmend auf die präventiv-beratende und kautelarjuristische Tätigkeit verschoben; hinzu kommt das verstärkte anwaltliche Engagement im Rahmen der Mediation. Dieser Wandel anwaltlicher Tätigkeit erschwert die Abgrenzung berufsspezifischer Leistungen. Denn einerseits sind hier in der Beratung in weitem Umfang auch Angehörige anderer Berufsgruppen tätig, andererseits sind Verflechtungen mit anderen Fachgebieten als dem Recht hier größer.
c) Gewährung rechtlichen Beistandes
Rz. 128
Da der Rechtsanwalt der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten ist (§ 3 Abs. 1 BRAO), stellt die Gewährung rechtlichen Beistandes ein wichtiges Kriterium für das Vorliegen anwaltlicher Tätigkeit dar. Die Anwendung des RVG ist danach abzugrenzen, ob die Aufgabe, rechtlichen Beistand zu leisten, bei der Tätigkeit im Vordergrund steht oder ob sie bei der Durchführung des erteilten Auftrages zurücksteht. Nur wenn der rechtliche Beistand ganz untergeordnete oder gar keine Bedeutung hat, liegt keine anwaltliche Tätigkeit vor. Bildet die Erteilung rechtlichen Rates den Schwerpunkt der Tätigkeit, liegt regelmäßig eine anwaltliche Berufstätigkeit vor. Im Zweifel ist anzunehmen, dass sich der Mandant an den Rechtsanwalt wendet, um ihn als solchen zu beauftragen. Das gilt nur dann nicht, wenn feststeht, dass es dem Auftraggeber nicht um den anwaltlichen Beistand geht. Abzustellen ist auf den Auftrag, nicht auf die tatsächlich vom Rechtsanwalt ausgeübte Tätigkeit.
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Maklertätigkeit: Daher kann auch eine Maklerleistung durch den Rechtsanwalt als berufsspezifische Tätigkeit anzusehen sein, wenn die Vermittlung der Gelegenheit zum Vertragsabschluss die Darlegung besonderer rechtlicher Voraussetzungen erfordert. Tritt dagegen die Gewährung rechtlichen Beistandes in den Hintergrund, liegt keine anwaltliche Berufstätigkeit mehr vor. Deshalb ist es keine anwaltliche Tätigkeit, wenn der Rechtsanwalt lediglich einem Darlehenssuchenden einen Mandanten benennt, von dem er weiß, dass dieser Geld anlegen will, oder wenn ein Rechts... |