Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
Rz. 54
Dem Rechtsanwalt, der sich im Strafprozess selbst verteidigt, steht ein anwaltlicher Gebühren- und Auslagenerstattungsanspruch dagegen nicht zu. Es ist umstritten, ob einem in einer Straf- oder Bußgeldsache sich selbst verteidigenden und freigesprochenen Rechtsanwalt die gesetzliche Vergütung zu erstatten ist, deren Erstattung er aus der Staatskasse verlangen könnte, wenn er einen Verteidiger hinzugezogen hätte. Für die Erstattungsfähigkeit spricht, dass §§ 46 OWiG, 464b Abs. 2 Nr. 2 StPO auf § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO verweisen. Nach dieser Bestimmung sind dem in eigener Sache tätigen Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte. Die Befürworter der Erstattungsfähigkeit berufen sich auf diese eindeutige gebührenrechtliche Verweisung und gehen deshalb davon aus, dass ein sich selbst vertretender Rechtsanwalt sowohl im Zivil- als auch im Strafprozess gebührenrechtlich als Bevollmächtigter zu behandeln ist.
Rz. 55
Nach der herrschenden Gegenauffassung setzt die Anwendung von § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO voraus, dass es dem Rechtsanwalt überhaupt rechtlich gestattet ist, in eigener Sache aufzutreten. Während im Zivilprozess § 78 Abs. 6 ZPO dem Rechtsanwalt die Selbstvertretung erlaubt, ist im Straf- und Bußgeldverfahren der Status des Verteidigers als unabhängiges Organ der Rechtspflege mit der Stellung des Beschuldigten unvereinbar. Wenn das Strafprozessrecht somit die Selbstverteidigung des Rechtsanwalts ausschließt, kann er kostenrechtlich nicht wie ein Verteidiger behandelt werden. § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO stellt eine eng auszulegende vorrangige Sonderregelung für den Fall dar, dass ein einzelner Anwalt rechtlich zulässig in eigener Sache als Partei des Zivilprozesses tätig geworden ist.
Rz. 56
Einem Rechtsanwalt werden daher für seine "Verteidigung" in eigener Sache keine Gebühren/Auslagen ersetzt, da Beschuldigten- und Verteidigerrolle prozessual miteinander unvereinbar sind. Die Regelung in § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO ist auf den Zivilprozess zugeschnitten und im Strafverfahren nicht anwendbar (vgl. auch VV Vorb. 4 Rdn 130).
Das gilt im Übrigen auch im Privatklageverfahren, wenn der Rechtsanwalt die Stellung eines Beschuldigten hat und sich selbst verteidigt. Als Privat- oder auch als Nebenkläger kann der Rechtsanwalt allerdings entsprechend §§ 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO, 91 Abs. 2 S. 3 ZPO Erstattung verlangen.
Rz. 57
Die teleologische Reduktion des § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO ist insofern verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Auch im anwaltsgerichtlichen Verfahren und im Verfahren nach § 74a BRAO können dem sich selbst vertretenden Rechtsanwalt keine Verteidigergebühren für seine eigene Person erstattet werden. Ein Vergütungsanspruch des sich selbst verteidigenden Rechtsanwalts gegen seinen Rechtsschutzversicherer scheidet ebenfalls aus.