Rz. 360

Weicht das Insolvenzverfahren von den Merkmalen eines Normalverfahrens ab, ist dem durch eine Erhöhung oder Minderung der Vergütung nach § 3 InsVV Rechnung zu tragen.[656] Dieses Korrektiv ist sowohl auf die Regelvergütung gem. § 2 Abs. 1 InsVV, als auch auf die Mindestvergütung nach § 2 Abs. 2 InsVV anwendbar.[657] Für Zuschläge auf die Mindestvergütung muss die Gläubigerzahl als Kriterium außer Betracht bleiben, da § 2 Abs. 2 InsVV die Zahl der Gläubiger bereits berücksichtigt.[658]

 

Rz. 361

§ 3 Abs. 1 InsVV regelt Fälle, in denen die Vergütung prozentual zu erhöhen ist. § 3 Abs. 2 InsVV bestimmt, wann Abschläge vorzunehmen sind. Beide Kataloge sind nicht abschließend.[659] Nicht jede Abweichung vom Normalverlauf einer Insolvenzverwaltung führt zu einer Erhöhung oder Reduzierung der Vergütung. Vielmehr ist davon auszugehen, dass erst eine wesentliche Abweichung, etwa in einer Einzelposition i.H.v. 20 % oder mehr, eine Änderung der Vergütung nach sich zieht.[660]

 

Rz. 362

Vergütungserhöhend wirkt sich z.B. eine Unternehmensfortführung ohne Massezuwachs (§ 3 Abs. 1b) InsVV) oder die Ausarbeitung eines Insolvenzplans (§ 3 Abs. 1e) InsVV) aus. Ein Zuschlag kann bei § 3 Abs. 1e) InsVV auch dann gerechtfertigt sein, wenn die bloße Überarbeitung eines vom Schuldner selbst vorgelegten Insolvenzplans durch den Verwalter einen erheblichen Mehraufwand bedingt.[661] Ein genereller Zuschlag bei Erfüllung eines Erhöhungsmerkmals ist indes abzulehnen; entscheidend ist stets der Nachweis erheblich größerer bzw. schwierigerer Arbeitsleistungen des Verwalters.[662] Die Gewährung von Zuschlägen liegt nicht im Ermessen des Gerichts, sondern ist obligatorisch, wenn eine Abweichung vom Normalfall vorliegt.[663]

 

Rz. 363

Vergütungsmindernde Faktoren (§ 3 Abs. 2 InsVV) sind etwa die vorzeitige Beendigung der Insolvenzverwaltung[664] oder ein Nachlassinsolvenzverfahren, bei dem der zuvor tätige Nachlassverwalter bzw. -pfleger die gesamte Nachlassmasse verwertet hatte, weshalb dem Insolvenzverwalter nach Insolvenzeröffnung nur noch die Verteilung der Masse oblag.[665]

 

Rz. 364

Bei der Berechnung der Zu- und Abschläge hat die Prüfung der Angemessenheit dergestalt zu erfolgen, dass keine bloße Addition und Subtraktion der einzelnen Zu- und Abschläge erfolgt; vielmehr hat das Insolvenzgericht insoweit eine Gesamtschau aller Umstände vorzunehmen.[666]

[656] Römermann/Nerlich/Madert, InsO, § 2 InsVV Rn 1.
[657] Keller, ZVI 2004, 569; ders., NZI 2005, 23, 26; Blersch, ZIP 2004, 2311, 2312.
[658] Keller, NZI 2005, 23, 27.
[659] Gottwald/Last, Insolvenzrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2006, § 127 Rn 14, 19.
[660] MüKo/Nowak, InsO, § 2 InsVV Rn 4; Römermann/Nerlich/Madert, InsO, § 2 InsVV Rn 1.
[662] Gottwald/Last, Insolvenzrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2006, § 127 Rn 15.
[663] Kübler/Prütting/Eickmann, InsO, Vergütungsrecht, 2. Aufl., § 3 InsVV Rn 3.
[665] Gottwald/Last, Insolvenzrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2006, § 127 Rn 19.
[666] BGH 24.7.2003 – IX ZB 607/02, ZInsO 2003, 790; Graeber, Vergütung in Insolvenzverfahren von A–Z, 2005, Rn 30.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?