Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
1. Syndikusrechtsanwalt – § 46 Abs. 2 BRAO (Abs. 2 S. 1)
Rz. 159
Das RVG gilt nicht für eine Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt (§ 46 Abs. 2 BRAO). Das wird in § 1 Abs. 2 S. 1 seit dem 1.1.2016 ausdrücklich klargestellt. Die ausdrückliche Klarstellung ist erforderlich, weil die vom BGH entwickelte Doppelberufstheorie aufgegeben worden ist. Nach dieser Theorie hat der Syndikusanwalt zwei Berufe (Doppelstellung). Er steht einerseits als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis zu einem bestimmten nichtanwaltlichen Arbeitgeber (Syndikus) und ist in dieser Eigenschaft aufgrund des im Arbeitsverhältnis geltenden Prinzips der Über- und Unterordnung und seiner Weisungsgebundenheit nicht als Rechtsanwalt tätig. Andererseits übt er einen zweiten Beruf als freier Rechtsanwalt aus, wenn er rechtlich und tatsächlich in der Lage ist, neben seiner Tätigkeit im Unternehmen Rechtsuchende als freier Anwalt zu beraten und zu vertreten.
Rz. 160
Für den Syndikusanwalt (§ 46 BRAO) war bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung zum 1.1.2016 im Lichte der vom BGH entwickelten Doppelberufstheorie eine differenzierende Betrachtung erforderlich. Danach war der Syndikus hauptberuflich im Rahmen eines ständigen Dienst- oder Arbeitsverhältnisses rechtsberatend für seinen Arbeitgeber und zugleich nebenberuflich als niedergelassener Rechtsanwalt tätig. Infolge dessen konnte der Syndikus seine zweitberuflich geführten Mandate nach dem RVG abrechnen, die Tätigkeit für seinen Arbeitgeber dagegen nicht.
Rz. 161
Die Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts stellt zwar seit 1.1.2016 eine anwaltliche Tätigkeit dar. Die Vergütung hierfür richtet sich allerdings nicht nach den gesetzlichen Vergütungsvorschriften des RVG. Zum Schutz der anwaltlichen Unabhängigkeit bleiben die in § 49b BRAO verankerten berufsrechtlichen Beschränkungen hingegen anwendbar, soweit diese nicht unmittelbar an die Vergütungsvorschriften des RVG anknüpfen. Dies gilt insbesondere für das Verbot eines Erfolgshonorars (§ 49b Abs. 2 BRAO).
2. Grundgedanke der Regelung (Abs. 2 S. 2)
a) Ausschluss bestimmter Tätigkeitsbereiche
Rz. 162
Abs. 2 S. 2 schließt bestimmte Tätigkeitsbereiche vom sachlichen Anwendungsbereich des RVG aus, auch wenn sie von einem Anwalt erbracht werden. Dies beruht im Wesentlichen auf der gesetzgeberischen Erwägung, dass es sich bei den hier genannten Aufgaben um Tätigkeiten handelt, die entweder ehrenamtlich erfolgen, in erheblichem Umfang auch Nicht-Rechtsanwälten übertragen werden oder nicht im Auftrag einer Partei oder in deren Interesse übernommen werden. Ihnen fehlt daher in dem einen oder anderen Aspekt ein typisches Merkmal anwaltlicher Berufsausübung.
Rz. 163
Die Aufzählung ist nicht abschließend, wie der Formulierung "oder für eine ähnliche Tätigkeit" zu entnehmen ist. Allen Tätigkeitsbereichen des Abs. 2 S. 2 ist gemein, dass sie nicht nur von Rechtsanwälten, sondern häufig auch von Angehörigen anderer Berufsgruppen ausgeübt werden. Es handelt sich daher nicht um spezifisch anwaltliche Tätigkeiten, auf die das RVG zugeschnitten ist. Die beratende Teilnahme eines Rechtsanwalts als sachverständige Person an der Sitzung einer Einigungsstelle ist eine berufsspezifische anwaltliche Leistung und unterfällt damit dem RVG (§ 34).
b) Abrechnung anwaltsspezifischer Dienste nach dem RVG (§ 1835 Abs. 3 BGB)
Rz. 164
Erbringt jedoch ein Anwalt im Zusammenhang mit einer in Abs. 2 genannten oder dort zwar nicht ausdrücklich genannten, aber ähnlichen Tätigkeit – die Aufzählung in Abs. 2 S. 2 ist nicht abschließend – typische anwaltliche Dienstleistungen, etwa die Prozessführung in einem Zivilverfahren, kann er selbige auch nach dem RVG abrechnen. Denn Abs. 2 S. 3 stellt ausdrücklich klar, dass § 1835 Abs. 3 BGB unberührt bleibt. Der in dieser Bestimmung enthaltene und originär nur für den Vormund geltende Rechtsgedanke ist nach der Rechtsprechung des BGH auf die übrigen in § 1 Abs. 2 S. 2 genannten Tätigkeiten sinngemäß zu übertragen. Nach dieser Vorschrift gelten Dienste, die zum Gewerbe oder Beruf des Ausführenden gehören, als erstattungsfähige Aufwendungen. Der Wert dieser Aufwendungen bemisst sich im Falle anwaltlicher ...