a) Keine Aufrechnungslage
Rz. 98
Eine Aufrechnung – sei es außergerichtlich oder als Prozessaufrechnung – ist ebenfalls nicht möglich, solange keine Kostennote mitgeteilt worden ist. Eine Aufrechnung ist nach § 387 BGB nämlich nur dann möglich, wenn der Aufrechnende die ihm gebührende Leistung fordern darf. Daran mangelt es aber, solange keine Kostennote erteilt ist.
Die Aufrechnungslage muss bei Verrechnung bereits bestanden haben. So ist es treuwidrig und unzulässig, wenn die Aufrechnungslage erst durch nachträgliche Erstellung einer Kostennote geschaffen wird.
b) Keine Rückwirkung der Aufrechnung
Rz. 99
Nach Eintritt der Verjährung ist eine Aufrechnung auch dann nicht mehr möglich, wenn nachträglich noch eine Kostenberechnung erteilt wird. Eine Aufrechnungserklärung nach Eintritt der Verjährung entfaltet nach § 215 BGB (§ 390 S. 2 BGB a.F.) nur dann Wirkung, wenn innerhalb der nichtverjährten Zeit eine Aufrechnungslage bestand. Daran fehlt es aber, wenn die Kostennote erst nach Ablauf der Verjährung erteilt worden ist. Es genügt also nicht, dass der Anspruch des Anwalts in nichtverjährter Zeit entstanden und fällig geworden ist. Dadurch wird noch keine Aufrechnungslage geschaffen.
Beispiel: Der Auftrag war am 14.11.2017 erledigt. Am 20.1.2021 hatte der Anwalt seine Abrechnung erteilt und die Aufrechnung gegen Rückforderungsansprüche aus einem anderen Mandat erklärt.
Die dreijährige Verjährung der Vergütung nach § 195 BGB ist am 31.12.2020 abgelaufen. Bis dato war keine Abrechnung erteilt, so dass innerhalb der nichtverjährten Zeit keine Aufrechnungslage bestanden hat.
c) Rückwirkung bei Beschlagnahme
Rz. 100
Bei einer Beschlagnahme der Gegenforderung verhält es sich dagegen anders. Hier kommt es nicht auf die Aufrechnungslage an, sondern nur auf den Erwerb und den Eintritt der Fälligkeit (§ 392 BGB). Der Anwalt kann daher auch noch nach Beschlagnahme aufrechnen, wenn er eine Kostenrechnung nachträglich erteilt.
Beispiel: Der Anwalt hat für seinen Mandanten nach Abschluss des Rechtsstreits die Urteilssumme in Empfang genommen. Der Anspruch auf Auszahlung des Geldes wird anschließend von einem Gläubiger des Mandanten gepfändet, noch bevor der Anwalt eine Kostennote erteilt hat.
Die Pfändung des Auszahlungsanspruchs bewirkte die Beschlagnahme. Damit war die Aufrechnung durch den Anwalt mit seiner Vergütungsforderung gegenüber dem Pfändungsgläubiger nur noch unter den Voraussetzungen des § 392 BGB wirksam. Hierzu zählt aber nur, dass die Gegenforderung dem Aufrechnenden vor Beschlagnahme zustand und bereits fällig war. Die Fälligkeit wiederum beurteilt sich alleine nach § 8 Abs. 1, nicht nach § 10. Der Anwalt konnte also nach Mitteilung der Kostennote noch aufrechnen.