Peter Fölsch, Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
I. Statthaftigkeit und Zulässigkeit
Rz. 4
§ 12a Abs. 1 Nr. 1 bestimmt die Statthaftigkeit der Anhörungsrüge. § 12a Abs. 2 regelt Form, Inhalt, Frist und Adressat der Anhörungsrüge.
1. Unanfechtbarkeit der Entscheidung (Abs. 1 Nr. 1)
Rz. 5
Der Anwendungsbereich der Anhörungsrüge erfasst Beschlüsse in jeder Instanz. Die Vorschrift eröffnet damit den Gerichten im Falle der gerügten entscheidungserheblichen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) die Möglichkeit der Selbstkorrektur bei unanfechtbaren Beschlüssen.
Rz. 6
In § 12a ist allerdings keine ausdrückliche, dem § 321a Abs. 1 S. 2 ZPO vergleichbare Regelung enthalten. § 321a Abs. 1 S. 2 ZPO regelt, dass die Anhörungsrüge gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung nicht stattfindet.
Soweit die entsprechende Anwendung einer solchen Regelung für die Anhörungsrüge nach § 12a erwogen wird, muss gleichzeitig die verfassungskonforme Auslegung dieser Regelung beachtet werden. Denn die Unstatthaftigkeit der Anhörungsrüge ist dann auf solche Zwischenentscheidungen zu begrenzen, die im Hinblick auf mögliche Gehörsverletzungen im weiteren fachgerichtlichen Verfahren noch überprüft und korrigiert werden können, ohne dass es zur Erlangung des verfassungsrechtlich gebotenen fachgerichtlichen Rechtsschutzes der Erhebung einer Anhörungsrüge bedürfte. Im Bereich des § 321a Abs. 1 ZPO ist deshalb z.B. auch eine unanfechtbare Richterablehnungsentscheidung oder die unanfechtbare Gewährung der Wiedereinsetzung mit der Anhörungsrüge angreifbar.
2. Subsidiärer Rechtsbehelf
Rz. 7
Als subsidiärer Rechtsbehelf kommt die Anhörungsrüge nur dann zum Zuge, wenn der Anhörungsverstoß nicht im Rahmen anderer zur Überprüfung der Entscheidung gegebener Rechtsbehelfe oder Rechtsmittel behoben werden kann. Bei der Verletzung ist also zunächst das zulässige Rechtsmittel bzw. der zulässige Rechtsbehelf einzulegen. Gemeint ist mit der Formulierung "nicht gegeben ist", dass ein Rechtsmittel nicht statthaft oder ein statthaftes Rechtsmittel wegen des Nichterreichens der Rechtsmittelsumme nicht zulässig sein darf. Auch anderweitige nicht (mehr) zu erreichende Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs können die Statthaftigkeit der Anhörungsrüge begründen. Bei der Gegenvorstellung und der außerordentlichen Beschwerde handelt es sich nicht um gegenüber der Anhörungsrüge vorrangige Rechtsbehelfe. Auch stellt die Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde keinen Rechtsbehelf im Sinne des Abs. 1 Nr. 1 dar, weil die Anhörungsrüge gerade dazu dienen soll, die Verfassungsgerichte zu entlasten, und weil die Verfassungsbeschwerde ihrerseits die Erschöpfung sämtlicher Anfechtungsmöglichkeiten voraussetzt, also nur subsidiär statthaft ist.
3. Gegenstand der Anhörungsrüge
Rz. 8
Gegenstand der Anhörungsrüge nach dem RVG können insbesondere sein:
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abschließende Beschlüsse des erstinstanzlichen Gerichts, soweit eine Beschwerde z.B. mangels Überschreitens des Wertes des Beschwerdegegenstands nicht gegeben ist, |
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abschließende Beschlüsse des erstinstanzlichen Richters über eine Erinnerung gegen die Entscheidung des Rechtspflegers oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, soweit eine Beschwerde z.B. mangels Überschreitens des Wertes des Beschwerdegegenstands nicht gegeben ist, |
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das Beschwerdeverfahren abschließende Beschlüsse des Beschwerdegerichts, soweit eine weitere Beschwerde nicht zugelassen ist, |
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das Verfahren der weiteren Beschwerde abschließende Beschlüsse des Gerichts der weiteren Beschwerde (OLG; vgl. § 33 Abs. 6), |
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Entscheidungen über die Bewilligung einer Besonderen Gebühr nach § 41a, |
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Entscheidungen über die Festsetzung einer Pauschgebühr (§§ 42, 51). |
4. Ausgeschlossene Verfahren
Rz. 9
Keine Anwendung findet § 12a auf Entscheidungen im Vergütungsfestsetzungsverfahren (§ 11), weil insoweit die Verfahrensordnungen der Gerichtsbarkeiten gelten (§ 11 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 2). Die Anhörungsrüge richtet sich dann nach den Verfahrensordnungen der Gerichtsbarkeiten (z.B. § 321a ZPO).
Soweit es um ein Verfahren nach dem RVG geht und der Rechtspfleger oder der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle entschieden hat, ist die Vorschrift ebenfalls unanwendbar. Denn gegen diese Entscheidungen ist stets die Erinnerung gegeben, deren Bearbeitung die Abhilfeprüfung und damit die Fortsetzung des Verfahrens unter Beachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör umfasst.
5. Beschwer
Rz. 10
Die Anhörungsrüge ist nur zulässig, wenn der Verfahrensbeteiligte durch die Entscheidung beschwert ist. Dies kommt in § ...