Rz. 96
Hat der Anwalt einmal die Bestimmung nach Abs. 1 getroffen, ist er an den gewählten Gebührensatz grundsätzlich gebunden. Es handelt sich bei der Bestimmung um ein Gestaltungsrecht, das nach seiner Ausübung nicht mehr geändert oder widerrufen werden kann.
Das wiederum setzt nicht voraus, dass der Rechtsanwalt bereits ausdrücklich eine Schlussrechnung erteilt hat. Daher tritt eine Bindungswirkung auch dann ein, wenn nur eine Vorschussnote erteilt worden ist und der Anwalt nach Beendigung des Mandats die vorschussweise abgerechnete Vergütung ohne Vorbehalt einfordert.
Rz. 97
Ausnahmen sind nur in folgenden Fällen anzuerkennen:
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der Anwalt hat sich eine Erhöhung ausdrücklich und erkennbar vorbehalten |
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der Anwalt hat einen gesetzlichen Gebührentatbestand übersehen (Berechnungsirrtum) |
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der Auftraggeber hat den Anwalt über die Bemessungsfaktoren getäuscht |
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der Anwalt bestimmt die Gebührenhöhe neu, da er nach der Abrechnung erneut tätig wird. |
Die Erhöhung des Gebührensatzes oder des Gebührenbetrags kann bei der letzten Variante indes nur auf Umstände gestützt werden, die nach Erledigung des ersten Auftrags entstanden sind. Die Vorschrift des § 15 Abs. 5 S. 1 steht dem nicht entgegen, da der Anwalt keine Gebühren erneut erhält, sondern lediglich einen höheren Betrag oder einen höheren Satz.
Beispiel: In einer außergerichtlichen Angelegenheit teilt der Mandant dem Anwalt mit, die Sache habe sich erledigt. Der Anwalt rechnet daraufhin eine 1,5-Geschäftsgebühr (Mittelgebühr) ab, die auch bezahlt wird. Später erhält der Anwalt den Auftrag, in dieser Sache weiter tätig zu werden. Für die weitere Tätigkeit erhält der Anwalt keine neuen Gebühren. Wohl kann er für die weitere Tätigkeit den restlichen Gebührenrahmen (bis zu 2,5) noch ausschöpfen.
Rz. 98
Rechnet der Anwalt eine Vergütung nach Satzrahmengebühren ab (z.B. die Geschäftsgebühr nach VV 2300), so muss er für die Berechnung nicht nur die konkrete Gebühr, sondern auch den Gegenstandswert bestimmen. An diese Bestimmung des Gegenstandswertes ist er jedoch nicht gebunden, so dass er diesen nachträglich (d.h. nach Abrechnung der Angelegenheit) noch korrigieren kann. Diese fehlende Bindung an die Gegenstandswertbestimmung ergibt sich aus zwei Aspekten:
Zum einen folgt die Bestimmung des Gegenstandswertes nicht aus § 14 Abs. 1, welcher dem Anwalt ein nach Ausübung bindendes Ermessen einräumt, sondern aus § 23 i.V.m. mit den Bewertungsvorschriften des GNotKG. Soweit Mayer aus der Regelung in § 23 Abs. 3 S. 2 den Schluss ziehen will, auch hier handele es sich um eine nur beschränkt überprüfbare Ermessensentscheidung des Anwalts, halte ich dies für zweifelhaft. Denn die betreffende Formulierung ist zum einen eher den sonstigen Bestimmungen über die Festsetzung des Gegenstandswertes (vgl. z.B. § 3 ZPO oder § 48 GKG) entnommen, als dass sie ein besonders Ausübungsermessen des Anwalts begründen soll.
Zum anderen ist die Festsetzung des Gegenstandswertes durch den Anwalt für keinen der sonstigen Beteiligten bindend, sondern unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle. Es ist Aufgabe des Gerichts – im Rahmen der Hauptsacheentscheidung oder auch isoliert im Beschwerdeverfahren – die Wertfestsetzung im eigenen Ermessen und eigener Zuständigkeit festzusetzen. Soweit das OLG Brandenburg eine Bindung des Anwalts an die Wertfestsetzung bejaht, bleibt der Senat eine Begründung schuldig. Andererseits darf auch nicht verkannt werden, dass der Anwalt nachträglich versucht sein könnte, seine Vergütung bei bindender Gebührenbestimmung durch Anhebung des Gegenstandswertes zu "retten". Dies ist jedoch eine Frage des Einzelfalls, bei dem die jeweiligen Umstände festgestellt werden müssen. Grundsätzlich ist der Anwalt nur durch einen Erlassvertrag gehindert, nach einem nachträglich höheren Gegenstandswert abzurechnen.