1. Die gesetzliche Regelung
Rz. 100
Mit dem durch das KostRÄG eingeführten neuen Abs. 3 ist das bisher nur in VV Vorb. 2.3 Abs. 4 S. 3, VV Vorb. 3 Abs. 4 S. 4 und VV Vorb. 6.4 Abs. 2 S. 3 enthaltene Doppelverwertungsverbot in Anrechnungsfällen für allgemeingültig erklärt worden. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass es auch weitere Anrechnungsfälle gibt. Daher wurde konsequenterweise das Doppelverwertungsverbot in § 14 als neuer Abs. 2 integriert, sodass es nunmehr für alle Anrechnungsfälle gilt. Folgerichtig sind gleichzeitig in VV Vorb. 2.3 Abs. 4 S. 3, VV Vorb. 3 Abs. 4 S. 4 und VV Vorb. 6.4 Abs. 3 S. 2 aufgehoben worden.
Rz. 101
Mit dieser Regelung soll die doppelte Berücksichtigung einer Vorbefassung bei Satz- und Betragsrahmengebühren vermieden werden. Die Vorschrift untersagt, bei der Bestimmung einer Rahmengebühr, auf die eine andere Rahmengebühr anzurechnen ist, die Vorbefassung im Rahmen des Abs. 1 gebührenmindernd zu berücksichtigen. Vielmehr ist die nachfolgende Rahmengebühr so zu bestimmen, als habe es keine Vorbefassung gegeben. Es darf also weder von einem geringeren Umfang noch von einer geringeren Schwierigkeit aufgrund der Vorbefassung ausgegangen werden.
Rz. 102
Mit der Neufassung stellt der Gesetzgeber klar, dass die Gebührenbestimmung für die Gebühr, auf die anzurechnen ist, nach Abs. 1 so zu treffen ist, als sei der Anwalt in der anzurechnenden Angelegenheit erstmals tätig geworden. Es werden also die Bemessungskriterien des Abs. 1 fiktiv erhöht, so, wie sie bei einem nicht vorbefassten Anwalt anzunehmen wären. Hiernach wird dann die Anrechnung vorgenommen.
Rz. 103
Ebenso wie bei den Gebührenanrechnungen mit festen Gebührensätzen soll damit bewirkt werden, dass die Vorbefassung ausschließlich durch die Anrechnung erfasst wird und es nicht zu einer Doppelverwertung der Vorbefassung kommt.
2. Gesetzlich geregelte Anwendungsfälle
Rz. 104
Einer der Hauptanwendungsfälle des Abs. 2 ist die Anrechnung einer Geschäftsgebühr des Verwaltungsverfahrens auf die Geschäftsgebühr des nachfolgenden Überprüfungsverfahrens.
Rz. 105
Beispiel: Der Anwalt war in einem verwaltungsrechtlichen Verwaltungsverfahren tätig und anschließend im Widerspruchsverfahren.
Angefallen ist sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im Widerspruchsverfahren eine Geschäftsgebühr nach VV 2300 mit einem Gebührenrahmen von 0,5 bis 2,5. Dabei ist für jede Gebühr der Gebührensatz gesondert nach Abs. 1 RVG zu bestimmen, und zwar insbesondere nach Umfang und Schwierigkeit.
Rz. 106
Faktisch ist es jetzt so, dass das Widerspruchsverfahren für den Anwalt dadurch etwas weniger umfangreich und schwieriger geworden ist, dass er zuvor im Verwaltungsverfahren tätig war und sich dort bereits eingearbeitet hatte. Von daher hätte man strikt nach dem bisherigen Wortlaut des § 14 Abs. 1 RVG die Vorbefassung mindernd berücksichtigen müssen.
Rz. 107
Dieses Vorgehen würde aber dem Anrechnungssystem widersprochen. Ein vorbefasster Anwalt würde dann nämlich doppelt benachteiligt. Zum einen wäre der Gebührensatz im Widerspruchsverfahren aufgrund der vorangegangenen Tätigkeit im Verwaltungsverfahren geringer anzusetzen. Zum anderen würde sich die Vergütung im Widerspruchsverfahren noch um die Anrechnung der vorherigen Geschäftsgebühr verringern. Daher war in VV Vorb. 2.3 Abs. 4 S. 3 bereits nach der bisherigen Fassung klargestellt, dass die Vorbefassung im Verwaltungsverfahren bei der Gebührenbestimmung im Widerspruchsverfahren nicht mindernd berücksichtigt werden darf. Dabei bleibt es, lediglich mit dem Unterschied, dass sich diese Regelung jetzt nicht mehr aus VV Vorb. 2.3 Abs. 4 S. 3, sondern in dem neuen Abs. 2 ergibt.
Rz. 108
Die gleiche Regelung galt in sozialrechtlichen Verfahren, deren Abrechnung sich gem. § 3 RVG nach Betragsrahmen richtet. Da hier – im Gegensatz zu den Wertgebühren – auch im gerichtlichen Verfahren Rahmengebühren entstehen, war eine weitere entsprechende Regelung in VV Vorb. 3 Abs. 4 S. 3 enthalten.
Rz. 109
Beispiel: Der Anwalt war in einem sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren tätig, anschließend im Widerspruchsverfahren und hiernach im Klageverfahren.
Anzuwenden sind jeweils nach § 3 Abs. 1 Betragsrahmengebühren. Dabei ist die Höhe der Gebührenbeträge jeweils nach Abs. 1 zu bestimmen, und zwar insbesondere nach Umfang und Schwierigkeit.
Rz. 110
Es galt auch hier zunächst einmal VV Vorb. 2.3 Abs. 4 S. 3, wonach die Vorbefassung im Verwaltungsverfahren bei der Bestimmung der Gebühr für das Widerspruchsverfahren nicht berücksichtigt werden durfte. Für die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens (VV Nr. 3102) wiederum galt VV Vorb. 3 Abs. 4 S. 3, wonach jetzt die Vorbefassung im Widerspruchsverfahren nicht mindernd berücksichtigt werden durfte. Auch hier gilt die bisherige Rechtslage fort, lediglich mit dem Unterschied, dass sich diese Rechtsfolgen jetzt nicht mehr aus VV Vorb. 2.3 Abs. 4 S. 3 und Vorb. 3 Abs. 3 S. 3 VV RVG ergeben, sondern im neuen Abs. 2 verankert sind.
Rz. 111
Schließlich war auch VV Vorb. 6.4 Abs. 2 S. 3 geregelt, dass eine Vorbefassung in einem Verfahren über die Beschwerde oder üb...