Rz. 94
In zahlreichen Fällen ordnet das RVG selbst an, dass innerhalb eines Verfahrens mehrere Angelegenheiten gegeben sind. Andererseits wird an mehreren Stellen, insbesondere in §§ 16 und 19, angeordnet, dass bestimmte Tätigkeiten des Anwalts noch zur Gebühreninstanz zählen und keine gesonderte Angelegenheit auslösen. Im Einzelnen gilt Folgendes:
Rz. 95
Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO. Bei dem Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO und dem vorangegangenen Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO handelt es sich gemäß § 16 Nr. 5 um eine Angelegenheit.
Rz. 96
Abgabe. Siehe "Verweisung" (Rdn 195).
Rz. 97
Ablehnung eines Richters oder Sachverständigen. Siehe "Befangenheitsantrag" (Rdn 110).
Rz. 98
Abraten von einem Rechtsmittel. Rät der Anwalt von einem Rechtsmittel ab, so handelt es sich gegenüber dem Ausgangsverfahren um eine eigene Angelegenheit.
Rät der Anwalt nur teilweise von einem Rechtsmittel ab und führt er es im Übrigen durch, so bilden die Prüfung (VV 2100 f.) und das Rechtsmittelverfahren zwei verschiedene Angelegenheiten. Voraussetzung ist allerdings, dass der Anwalt zunächst den Auftrag zur Prüfung hatte. Soweit der Anwalt von vornherein den Rechtsmittelauftrag hatte und im Rahmen dieses Auftrags dem Mandanten von einem Rechtsmittel abgeraten hat, liegt nur eine Angelegenheit vor, die durch die Verfahrensgebühren des jeweiligen Rechtsmittelverfahrens abgegolten wird.
Rz. 99
Abtrennung. Siehe "Verbund" und "Trennung" (Rdn 173 ff.).
Rz. 100
Adhäsionsverfahren. Strafverfahren und Adhäsionsverfahren sind eine Angelegenheit i.S.d. § 15.
Ebenso liegt nur eine Angelegenheit vor, wenn der Anwalt mehrere Nebenkläger zur Durchsetzung jeweils eigener Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche innerhalb desselben Strafverfahrens vertritt.
Rz. 101
Akteneinsicht und Hauptsacheklage. Bei einer Klage auf Gewährung von Akteneinsicht im Verwaltungsverfahren und einer Anfechtungsklage in der Hauptsache handelt es sich nicht um eine Angelegenheit i.S.v. § 15.
Rz. 102
Anfechtung eines Prozessvergleichs. Schließen die Parteien in einem Rechtsstreit einen Vergleich und beruft sich eine der Parteien später auf die Unwirksamkeit des Vergleichs, etwa wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB) oder wegen einer zwischenzeitlich erklärten Irrtums- oder Täuschungsanfechtung (§ 142 Abs. 1 BGB), dann wird der Streit über die Wirksamkeit des Vergleichs im selben Verfahren ausgetragen. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass der Vergleich unwirksam ist, so wird das Verfahren fortgesetzt; gegebenenfalls kann hierüber ein Zwischenurteil ergehen. Kommt das Gericht zum Ergebnis, dass der Vergleich wirksam sei, so stellt es dessen Fortbestand durch Urteil fest.
Rz. 103
Nach ganz einhelliger Auffassung stellen das Verfahren bis zum Abschluss des Prozessvergleichs und das weitere Verfahren nach Anfechtung gebührenrechtlich insgesamt eine einzige Angelegenheit i.S.d. Abs. 1 dar. Dies gilt unabhängig davon, ob das Gericht die Wirksamkeit des Vergleichs feststellt, oder ob es von dessen Unwirksamkeit ausgeht und in der Hauptsache entscheidet.
Rz. 104
Hieraus wiederum folgt für die beteiligten Anwälte, dass sie ihre Gebühren insgesamt nur ein einziges Mal erhalten können (Abs. 1, Abs. 2). Soweit also Gebührentatbestände bereits in dem Verfahren bis zum Abschluss des Vergleichs angefallen sind, können diese für das Verfahren nach Abschluss des Vergleichs nicht nochmals geltend gemacht werden. Auch die Postentgeltpauschale nach VV 7002 entsteht nicht erneut.
Rz. 105
Liegen zwischen Abschluss des Vergleichs und Anfechtung mehr als zwei Kalenderjahre, ist nach Abs. 5 S. 2 allerdings eine gesonderte Angelegenheit gegeben, wie sich aus der Neufassung des Abs. 5 S. 2 ergibt.
Rz. 106
Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Anträge auf gerichtliche Entscheidung in Bußgeldsachen lösen keine neue Angelegenheit aus, sondern gehören noch zum Verfahren vor der Verwaltungsbehörde. Lediglich dann, wenn gegen die Kostenfestsetzung oder den Kostenansatz ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt wird, wird nach VV Vorb. 5 Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. § 18 Abs. 1 Nr. 3 eine gesonderte Angelegenheit ausgelöst.
Rz. 107
Arrest. Arrestverfahren bilden stets eigene Angelegenheiten (§ 17 Nr. 4 Buchst. a). Zur Angelegenheit gehört auch die Einreichung einer Schutzschrift (siehe Rdn 164), sie löst keine gesonderte Angelegenheit aus. Ebenso zählt das Verfahren über einen Widerspruch nach § 924 ZPO noch zur Angelegenheit. Auch Verfahren auf Abänderung oder Aufhebung lösen keine gesonderten Angelegenheiten aus (§ 16 Nr. 5).
Rz. 108
Aufhebung der Ehe. Geht der Kläger vom Antrag auf Aufhebung der Ehe zum Scheidungsantrag über, so liegt dieselbe Angelegenheit vor. Allerdings sind die Werte der Scheidungssache und der Aufhebung zusammenzurechnen, da es sich um verschiedene Gegenstände handelt.
Rz. 109
Aussetzung des Verfahrens. Das Verfahren vor und nach Aussetzung ist eine Angelegenheit. Auf die Dauer der Aussetzung kommt es nic...