aa) Überblick

 

Rz. 65

Sind die Gegenstände der aufeinander folgenden Angelegenheiten nicht identisch, so ist nur anzurechnen, soweit sich die Gegenstände decken. Für die Geschäftsgebühr ist dieser allgemeine Grundsatz in VV Vorb. 3 Abs. 4 S. 4 (bis zum 31.12.2020: S. 5) ausdrücklich geregelt. Dieser Grundsatz gilt aber auch für andere Anrechnungsfälle.

 

Rz. 66

Der Gegenstand des nachfolgenden Verfahrens kann sich gegenüber dem vorangegangenen Verfahren dabei erweitern (bb) oder verringern (cc). Möglich ist auch beides (dd). Darüber hinaus kann sich der Gegenstand in der ersten nachfolgenden Angelegenheit zunächst verringern, dann aber in einer nachfolgenden Angelegenheit wieder erhöhen (ee).

bb) Der Gegenstand der nachfolgenden Angelegenheit ist umfangreicher

 

Rz. 67

Ist der Gegenstand des nachfolgenden Verfahrens umfangreicher, wird dennoch nur die Gebühr aus dem geringeren Wert angerechnet, da der Anwalt nur insoweit vorher tätig war.

 

Beispiel: Der Anwalt macht außergerichtlich für den Auftraggeber eine Forderung in Höhe von 8.000 EUR geltend. Die Sache ist umfangreich und schwierig. Der Schuldner zahlt nicht. Der Anwalt erhebt daraufhin auftragsgemäß Klage. Der Beklagte erhebt eine Widerklage in Höhe von 4.000 EUR. Über Klage und Widerklage wird verhandelt.

Der Wert der außergerichtlichen Tätigkeit beläuft sich auf 8.000 EUR; der Wert des gerichtlichen Verfahrens auf 12.000 EUR, da die Werte von Klage und Widerklage zusammengerechnet werden (§ 45 Abs. 1 GKG). Angerechnet wird jetzt nur nach dem Wert, der außergerichtlicher Tätigkeit und Rechtsstreit gemeinsam ist (VV Vorb. 3 Abs. 4 S. 4), also nach 8.000 EUR.

 
I. Außergerichtliche Vertretung (Wert: 8.000 EUR)    
1. 1,5-Geschäftsgebühr, VV 2300   753,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 773,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   146,87 EUR
Gesamt   919,87 EUR
II. Gerichtliches Verfahren (Wert: 12.000 EUR)    
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100   865,80 EUR
2. gem. Vorb. 3 Abs. 4 S. 4 VV anzurechnen, 0,75 aus 8.000 EUR – 376,50 EUR  
3. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104   799,20 EUR
4. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.308,50 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   248,62 EUR
Gesamt   1.557,12 EUR

cc) Der Gegenstand der nachfolgenden Angelegenheit ist geringer

 

Rz. 68

Ist der Gegenstand der nachfolgenden Angelegenheit geringer, wird auch nur eine Gebühr aus dem geringeren Wert angerechnet, da der Anwalt nur insoweit auch nachher tätig war.

 

Beispiel: Der Anwalt erhält einen Auftrag für ein Mahnverfahren über 7.500 EUR. Der Antragsgegner legt fristgerecht Widerspruch ein. Das streitige Verfahren wird nur wegen einer Forderung von 5.000 EUR durchgeführt, da zwischenzeitlich 2.500 EUR gezahlt worden sind.

Angerechnet wird analog VV Vorb. 3 Abs. 4 S. 4 nur, soweit sich der Gegenstand der außergerichtlichen Tätigkeit im Rechtsstreit fortsetzt, also in Höhe von 5.000 EUR.

 
I. Mahnverfahren (Wert: 7.500 EUR)    
1. 1,0-Verfahrensgebühr, VV 3305   502,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 522,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   99,18 EUR
Gesamt   621,18 EUR
II. Streitiges Verfahren (Wert: 5.000 EUR)    
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100   434,20 EUR
2. anzurechnen gem. Anm. zu VV 3305, 1,0 aus 5.000 EUR   – 334,00 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104   400,80 EUR
4. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 521,00 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   98,99 EUR
Gesamt   619,99 EUR

dd) Wechselnde Gegenstände

 

Rz. 69

Ist der Gegenstand des nachfolgenden Verfahrens einerseits geringer, andererseits aber auch weitergehend, wird wiederum nur eine Gebühr aus dem Wert der Gegenstände angerechnet, der beiden Verfahren gemeinsam ist.

 

Beispiel: Der Anwalt erhält einen Auftrag für ein Mahnverfahren über 7.500 EUR für rückständige Mieten Januar, Februar und März zu je 2.500 EUR. Der Antragsgegner legt fristgerecht Widerspruch ein und zahlt die Mieten für Januar und Februar. Allerdings sind jetzt die Mieten für April und Mai rückständig geworden, sodass das streitige Verfahren wegen dieser Forderungen in Höhe von insgesamt wiederum 7.500 EUR durchgeführt wird.

Angerechnet wird auch jetzt (analog VV Vorb. 3 Abs. 4 S. 4) nur, soweit sich der Gegenstand der außergerichtlichen Tätigkeit im Rechtsstreit fortsetzt, also nur in Höhe von 2.500 EUR, da nur die Miete März Gegenstand beider Verfahren war.

 
I. Mahnverfahren (Wert: 7.500 EUR)    
1. 1,0-Verfahrensgebühr, VV 3305   502,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 522,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   99,18 EUR
Gesamt   621,18 EUR
II. Streitiges Verfahren (Wert: 7.500 EUR)    
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100   652,60 EUR
2. anzurechnen gem. Anm. zu VV 3305, 1,0 aus 2.500 EUR   – 220,00 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104   602,40 EUR
4. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.055,00 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   200,45 EUR
Gesamt   1.255,45 EUR

ee) Anrechnung eines überschießenden Anrechnungsbetrags auf nachnachfolgende Angelegenheit

 

Rz. 70

Kommt die Anrechnung der ersten Gebühr bei der unmittelbar nachfolgenden Angelegenheit nicht voll zum Tragen, weil der Gegenstandswert der nachfolgenden Angelegenheit geringer ist (siehe Rdn 68 f.), kommt es dan...

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