I. Grundsatz: Keine Anrechnung
Rz. 133
Vereinbarte Vergütungen sind grundsätzlich nicht anzurechnen, da es an einer dahingehenden Anrechnungsvorschrift fehlt. Anzurechnen sind nur gesetzliche Gebühren.
Rz. 134
Eine vereinbarte Vergütung (§§ 3a ff.) ist nur anzurechnen, wenn dies zwischen den Vertragsparteien ausdrücklich vereinbart worden ist. Das gilt auch dann, wenn die vereinbarte Vergütung an die Stelle einer gesetzlichen Vergütung tritt, die anzurechnen wäre.
Rz. 135
Wird dagegen eine gesetzliche Gebühr durch eine Vereinbarung lediglich modifiziert, etwa indem nur ein höherer Gegenstandswert oder ein höherer Gebührensatz oder -betrag vereinbart wird, ist im Zweifel davon auszugehen, dass es im Übrigen bei der gesetzlichen Anrechnung verbleiben soll.
Beispiel: Vereinbart wird, dass für eine außergerichtliche Vertretung die Geschäftsgebühr mit einem Gebührensatz von 3,0 aus einem Streitwert von mindestens 50.000 EUR geschuldet sein soll. Anschließend kommt es zum gerichtlichen Verfahren.
Hier bleibt es bei der Anrechnung der Geschäftsgebühr nach VV Vorb. 3 Abs. 4, da nur die Geschäftsgebühr modifiziert, aber nicht abbedungen ist.
Rz. 136
Lediglich im Fall des § 34 ist eine Anrechnung vorgesehen (§ 34 Abs. 2), aber auch nur dann, wenn eine Gebührenvereinbarung geschlossen worden ist. Im Falle einer echten Vergütungsvereinbarung dürfte auch hier eine Anrechnung ausgeschlossen sein (siehe hierzu § 34 Rdn 133).
II. Keine Beschränkung des Kostenerstattungsanspruchs
Rz. 137
Wird eine vereinbarte Vergütung geltend gemacht, findet auch Abs. 3 im Rahmen der Kostenerstattung keine Anwendung, selbst wenn die vereinbarte Vergütung in Höhe einer (fiktiven) gesetzlichen Geschäftsgebühr geltend gemacht worden ist.
Beispiel: Der Anwalt war für den Kläger nach einem Gegenstandswert von 120.000 EUR außergerichtlich tätig geworden und hatte dafür ein Pauschalhonorar i.H.v. 2.500 EUR zuzüglich Umsatzsteuer vereinbart, das auch gezahlt worden ist.
1. |
Pauschalhonorar |
2.500,00 EUR |
2. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
475,00 EUR |
Gesamt |
2.975,00 EUR |
Hiernach kam es zum Rechtsstreit. Dort klagt der Kläger die 2.500 EUR ein sowie seine verzugsbedingten vorgerichtlichen Kosten, die er auf die gesetzliche Vergütung beschränkt.
1. |
1,5-Geschäftsgebühr, VV 2300 (Wert: 120.000 EUR) |
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2.623,50 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
2.643,50 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
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502,27 EUR |
Gesamt |
|
3.145,77 EUR |
Der Beklagte wird antragsgemäß verurteilt, auch hinsichtlich der vorgerichtlichen Kosten. Ihm werden die Kosten des Verfahrens auferlegt.
Zur Festsetzung können jetzt anrechnungsfrei angemeldet werden:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 (Wert: 120.000 EUR) |
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2.273,70 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, VV 3104 (Wert: 120.000 EUR) |
|
2.098,80 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
4.392,50 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
834,58 EUR |
Gesamt |
|
5.227,08 EUR |
Rz. 138
Erforderlich ist aber, dass im Erkenntnisverfahren bereits deutlich gemacht wird, dass nicht die gesetzliche Vergütung eingeklagt wird, sondern die vereinbarte Vergütung in Höhe der (fiktiven) gesetzlichen Vergütung. Das wirkt sich insbesondere bei Abschluss eines Vergleichs aus. Eine Partei, die mit der Klage neben dem Hauptantrag ausdrücklich eine nicht anrechenbare "Geschäftsgebühr" als Schadensersatzanspruch geltend gemacht und auch so begründet hat, kann sich unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben im Rahmen der Kostenfestsetzung nämlich nicht mehr darauf berufen, sie habe mit ihrem Prozessbevollmächtigten eine Vergütungsvereinbarung getroffen, so dass eine Anrechnung gem. VV Vorb. 3 Abs. 4 S. 1 nicht in Betracht komme. In diesem Fall darf der Gegner nämlich davon ausgehen, dass im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren angerechnet werde. Die zu erwartende Anrechnung wird faktisch Geschäftsgrundlage der von den Parteien getroffene Kostenreglung.