1. Strafrechtliches Ermittlungsverfahren und nachfolgendes gerichtliches Verfahren

 

Rz. 42

In der Rechtsprechung und in der Kommentarliteratur war mangels einer eindeutigen Regelung bei Einführung des RVG strittig, ob das vorbereitende Verfahren und das nachfolgende erstinstanzliche gerichtliche Verfahren in Strafsachen eine gemeinsame Angelegenheit darstellen oder ob es sich um verschiedene Angelegenheiten handeln sollte. Der Gesetzgeber hat diese Frage mit dem 2. KostRMoG in Nr. 10 Buchst. a) dahingehend klargestellt, dass es sich um gesonderte Angelegenheiten handelt. Gegenteilige Rechtsprechung zur Rechtslage vor Inkrafttreten des 2. KostRMoG ist damit überholt und nicht mehr verwertbar.

 

Rz. 43

Bedeutung hat diese Frage vor allem für die Postentgeltpauschale der VV 7002. Durch Nr. 10 Buchst. a) ist klargestellt, dass im vorbereitenden Verfahren und im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren gesonderte Pauschalen entstehen. Siehe hierzu VV 7002 Rdn 34 ff.

 

Rz. 44

Die Klarstellung in Nr. 10 Buchst. a) wirkt sich auch bei den Dokumentenpauschalen (VV 7000) aus, da in jeder Angelegenheit neu zu zählen ist. So sind in jeder Angelegenheit die ersten 50 Seiten höher zu vergüten als die weiteren Seiten. Auch sind in den Fällen der VV 7000 Nr. 1 Buchst. b) und c) die Freimengen von 50 Seiten jeweils gesondert zu berücksichtigen.[5] Siehe hierzu VV 7000 Rdn 185.

 

Rz. 45

Darüber hinaus hat Nr. 10 Buchst. a) auch Bedeutung bei der Anrechnung von Zahlungen und Vorschüssen, die der Pflichtverteidiger vom Beschuldigten erhalten hat (§ 58 Abs. 3 S. 1), da nach Verfahrensabschnitten bzw. nunmehr gebührenrechtlichen Angelegenheiten anzurechnen ist. Siehe hierzu § 58 Rdn 53.

 

Rz. 46

Schließlich wird durch Nr. 10 Buchst. a) auch klargestellt, dass Termine nach VV 4102 im vorbereitenden Verfahren und im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren nicht zusammengezählt werden, sondern dass im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren mit der Zählung neu zu beginnen ist.

 

Rz. 47

Die Klarstellung in Nr. 10 Buchst. a) hat darüber hinaus auch Bedeutung für das Übergangsrecht (§ 60). Da es sich bei vorbereitendem und gerichtlichem Verfahren um zwei verschiedene Angelegenheiten handelt, kann unterschiedliches Recht anzuwenden sein (siehe § 60 Rdn 75).

[5] OLG Frankfurt 30.6.2015 – 2 Ws 10/15, AGS 2015, 383 = RVGreport 2015, 345 = StraFo 2015, 350.

2. Strafrechtliches Ermittlungsverfahren und sich nach Einstellung anschließendes Bußgeldverfahren

 

Rz. 48

Die Regelung in Nr. 10 Buchst. b) stellt klar, dass es sich auch dann um verschiedene Angelegenheiten handelt, wenn ein Strafverfahren eingeleitet wird und sich daran ein Bußgeldverfahren anschließt. Im Strafverfahren entstehen die Gebühren nach VV Teil 4 und im Bußgeldverfahren nach VV Teil 5. Eine Grundgebühr entsteht nach Anm. zu VV 5100 im Bußgeldverfahren allerdings nicht mehr, wenn dieselbe Tat zugrunde liegt (siehe VV 5100 Rdn 12). Auch hier kann unterschiedliches Recht anzuwenden sein (siehe § 60 Rdn 75).

 

Rz. 49

In Ergänzung dieser Regelung ist in Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 1 zu VV 4141 klargestellt, dass im Strafverfahren die Zusätzliche Gebühr infolge der Einstellung entstehen kann und nicht durch das nachfolgende Bußgeldverfahren ausgeschlossen ist, wie der BGH irrtümlich angenommen hatte.[6]

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