Norbert Schneider, Peter Fölsch
Rz. 1
§ 19 Abs. 1 und 2 legt fest, dass die dort genannten, nicht abschließend aufgeführten Beispielsfälle noch zu derselben gebührenrechtlichen Angelegenheit gehören. Bei der Angelegenheit muss es sich entweder um einen Rechtszug oder ein vergleichbares gerichtliches Verfahren handeln. Die Vorschrift betrifft alle Gerichtsbarkeiten sowie alle gerichtlichen und behördlichen Verfahren. Ein gerichtliches Verfahren ist auch das Zwangsvollstreckungsverfahren. § 19 Abs. 1 gilt für alle Gebühren der Teile 2 bis 6 des VV. Auch die Gebühren nach Teil 2 VV sind betroffen, weil die Gebühren für die außergerichtliche Vertretung in Verwaltungsverfahren entstehen können.
Folge des § 19 ist, dass der Rechtsanwalt für Tätigkeiten in den genannten Beispielsfällen seine Vergütung nach § 15 Abs. 2 insgesamt nur einmal erhält. Er kann diese Tätigkeiten also nicht gesondert abrechnen. Das bedeutet aber nicht, dass er aus den betreffenden Tätigkeiten keine gesonderten Gebühren innerhalb der jeweiligen Angelegenheit erhalten kann. So zählen außergerichtliche Verhandlungen während eines Rechtsstreits zwar zur Angelegenheit. Sie können aber die Terminsgebühr nach VVVorb. 3 Abs. 3 S. 3 auslösen, wenn im Verfahren noch nicht verhandelt war. Es kann wegen § 15 Abs. 2 nur keine zweite Terminsgebühr anfallen. Auch können die Verhandlungen zu einer Einigungsgebühr führen.
Rz. 2
Mit Abs. 1 S. 1 wird der Regelungszweck des § 19 allgemein umschrieben. Danach gehören zu dem Rechtszug oder dem Verfahren auch alle Vorbereitungs-, Neben- und Abwicklungstätigkeiten sowie solche Verfahren, die mit dem Rechtszug oder Verfahren zusammenhängen. Entscheidend ist, dass es um Tätigkeiten von eher geringem Umfang geht, die in der Regel sowohl vom Rechtsanwalt als auch Auftraggeber als eine Art Annex der instanzlichen Tätigkeit verstanden werden und nicht als eine gesondert zu vergütende Angelegenheit. § 19 konkretisiert damit das Prinzip der Pauschalabgeltung der Rechtsanwaltsgebühren.
Rz. 3
Abs. 1 S. 1 ist als Ergänzung zu § 15 Abs. 1 und 2 zu verstehen: § 15 Abs. 1 regelt, dass die Gebühren die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit abgelten, soweit im Gesetz nichts anderes bestimmt ist. § 15 Abs. 2 bestimmt, dass der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit – von der Ausnahme des § 15 Abs. 5 abgesehen – nur einmal fordern kann.
Rz. 4
Abs. 1 S. 2 enthält eine Aufzählung aller wesentlichen Tätigkeiten, die zu dem Rechtszug oder dem Verfahren gehören. Die Aufzählung ist aber nicht abschließend. Dies ergibt sich bereits aus der einleitenden Formulierung in S. 2: "Hierzu gehören insbesondere ...".
Rz. 5
Der Begriff "Rechtszug" ist im RVG nicht definiert. Der Rechtszug im gebührenrechtlichen Sinne ist mit dem Rechtszug im verfahrensrechtlichen Sinn nicht identisch. Der Rechtszug im gebührenrechtlichen Sinne beginnt bereits mit der Beauftragung des Rechtsanwalts bzw. mit der Entgegennahme der Information (vgl. VV Vorb. 3 Abs. 2). Der verfahrensrechtliche Rechtszug beginnt dagegen in Antragsverfahren (z.B. Zivilprozess) erst mit der Einreichung des schriftlichen Antrags (z.B. Klage) bzw. mit der Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle und in Verfahren von Amts wegen erst mit der Einleitung durch das Gericht. Auch bei dem Abschluss des Rechtszugs ist zwischen dem gebührenrechtlichen und dem verfahrensrechtlichen zu unterscheiden. Der verfahrensrechtliche Rechtszug endet mit der verfahrensabschließenden Entscheidung. Wie sich aus Abs. 1 S. 2 ergibt, ist mit der verfahrensabschließenden Entscheidung der gebührenrechtliche Rechtszug noch nicht abgeschlossen. Zum gebührenrechtlichen Rechtszug gehört etwa auch noch die Berichtigung oder Ergänzung des Urteils (Nr. 6), die Zustellung oder Empfangnahme von Entscheidungen oder Rechtsmittelschriften und ihre Mitteilung an den Auftraggeber (Nr. 10), die erstmalige Erteilung der Vollstreckungsklausel (Nr. 13), die Kostenfestsetzung und das Einfordern der Vergütung (Nr. 14). Endet das Prozessverfahren mit einem Vergleich und streiten die Parteien dann (in dem Prozessverfahren) über die Wirksamkeit des Vergleichs, gehört auch die Fortsetzung des Prozessverfahrens noch zu derselben Angelegenheit.
Rz. 6
Verfahren i.S.v. § 19 sind zunächst Gerichtsverfahren. Zu den Gerichtsverfahren gehören auch die Vollstreckungs- und Zwangsvollstreckungsverfahren. Die Gesetzesbegründung erläutert den Begriff "Verfahren" nicht näher, spricht aber an, dass die Vorschrift über die Gerichtsverfahren hinaus auch "sonstige Verfahren" erfasst. Zu den Verfahren lassen sich deshalb auch alle behördlichen Verfahren einordnen. Verfahren sind darüber hinaus das schiedsrichterliche Verfahren (vgl. § 16 Nr. 8), das Schiedsverfahren (vgl. § 17 Nr. 6), das Güteverfahren (vgl. § 17 Nr. 7), das strafrechtliche Ermittlungsverfahren (§ 17 Nr. 10), das behördliche Bußgeldverfahren (vgl. § 17 Nr. 11).
Rz. 7
Tätigkeiten gehören aber nach Abs. 1 S. 2 dann nicht zum Rechtszug oder Verfahren, w...