Norbert Schneider, Peter Fölsch
1. Allgemeines
Rz. 10
Zum gebührenrechtlichen Rechtszug oder Verfahren gehören nach Nr. 1 alle für die Rechtsverfolgung sowie Rechtsverteidigung vorbereitenden Tätigkeiten.
Rz. 11
Voraussetzung ist allerdings, dass der Rechtsanwalt einen Auftrag erhalten hat, den Auftraggeber in dem Rechtszug oder dem Verfahren zu vertreten (soweit es um die Vertretung vor Gericht geht: "Prozessauftrag").
Ist dem Rechtsanwalt dagegen der Auftrag erteilt worden, den Auftraggeber außergerichtlich bzw. außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens zu vertreten, so sind die anwaltlichen Tätigkeiten nur dieser außergerichtlichen Angelegenheit zuzuordnen. Sie sind über VV 2300, 2301 zu vergüten. Die Tätigkeiten gehören auch dann nicht zum Rechtszug oder Verfahren, wenn später der Auftrag zur Vertretung im Rechtszug oder Verfahren erteilt wird. § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 greift nicht ein.
Rz. 12
Beispiele für vorbereitende Tätigkeiten sind etwa:
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Akteneinsicht, z.B. Ermittlungsakte, Grundbuch |
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Beratung, Gutachten (siehe Rdn 13) |
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Deckungsschutzanfrage bei Rechtsschutzversicherer (str.; siehe Rdn 14) |
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Einholung von Auskünften aus z.B. Handelsregister, Gewerberegister, Grundbuch, Insolvenzbekanntmachungen |
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Entgegennahme von Informationen und Material; dabei ist es gleichgültig, ob der Rechtsanwalt die erforderlichen Informationen von seinem Auftraggeber oder durch Besprechungen mit einem Dritten erhält |
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Ermittlungen über den Gegner, z.B. Einwohnermeldeamtsanfrage oder Auskünfte über die wirtschaftlichen Verhältnisse, |
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Mahnschreiben: Ein Mahnschreiben, das zur Vorbereitung der Klage gefertigt wird, ist über § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 dem Auftrag zur gerichtlichen Vertretung zuzuordnen. |
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Kündigungsschreiben: Allein aus dem Umstand, dass es zu seinen Pflichten als Rechtsanwalt gehörte, im Zusammenhang mit der Bearbeitung des arbeitsrechtlichen Mandats, sozialversicherungsrechtliche Folgen der gewünschten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu bedenken und durch rechtlich zulässige Gestaltungsmittel zu vermeiden, ergibt sich nicht, dass ein gesonderter Gebührentatbestand ausgelöst wird. Es handelt sich vielmehr um Tätigkeiten, die mit dem arbeitsrechtlichen Auftrag zusammenhängen. |
2. Beratung
Rz. 13
Ist dem Rechtsanwalt der Auftrag zur Vertretung im Rechtszug oder im Verfahren erteilt, so gehört die Beratung, Auskunft oder ein schriftliches Gutachten zur Vorbereitung der Klage, des Antrags oder der Rechtsverteidigung. Sie ist dann nach Abs. 1 S. 2 Nr. 1 keine gesondert zu vergütende Tätigkeit. So kann es beispielsweise liegen, wenn der Auftraggeber den Rechtsanwalt mit der Klageerhebung beauftragt und der Rechtsanwalt dann die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage prüft und zur Klageerhebung zurät oder von ihr abrät.
Ist dem Rechtsanwalt dagegen noch kein Auftrag zur Vertretung im Rechtszug oder im Verfahren erteilt, sondern hat der Rechtsanwalt nur einen Beratungsauftrag erhalten, so handelt es sich insoweit um eine eigenständige Angelegenheit, die über § 34 Abs. 1 zu vergüten ist. Kommt es später zu einem Auftrag zur Vertretung im Rechtszug oder im Verfahren, ist die Gebühr für die Beratung vollständig anzurechnen, wenn nicht ein anderes vereinbart ist (vgl. § 34 Abs. 2).
Ist der Rechtsanwalt mit der Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels beauftragt, so ist auch dies eine eigene Angelegenheit, für die der Rechtsanwalt die Gebühr VV 2100, 2102 erhält. Diese Gebühr ist auf eine Gebühr für das Rechtsmittelverfahren anzurechnen (Anm. zu VV 2100; Anm. zu VV 2102).
3. Einholung der Kostendeckungszusage des Rechtsschutzversicherers
Rz. 14
In der Rechtsprechung wird teilweise vertreten, dass auch die Einholung einer Deckungszusage des Rechtsschutzversicherers eine vorbereitende Tätigkeit des Rechtsanwalts ist, der mit der Angelegenheit beauftragt ist, für die nunmehr die Deckungszusage des Rechtsschutzversicherers begehrt wird. Es handele sich um einen Annex des jeweiligen Mandats. Genau wie die Kosten des Prozesskostenhilfeverfahrens gemäß § 16 Nr. 2 als zum Rechtszug dazugehörig zählen, diene auch der Schriftverkehr mit dem Rechtsschutzversicherer als begleitende Tätigkeit der Durchsetzung des Anspruchs. Die Annahme einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne setze nicht voraus, dass der Anwalt nur eine Prüfungsaufgabe zu erfüllen habe. Die Anfrage an einen Rechtsschutzversicherer sei eine Standardangelegenheit, die im Rahmen der vorgerichtlichen Bearbeitung einer Sache aus Sicht des Mandanten regelmäßig "nebenbei" erfolge und keinen gesonderten – über die ohnehin vorzunehmende Prüfung und Begründung des geltend zu machenden Anspruchs hinaus – Aufwand erfordere. Sie sei zwar nicht unmittelbar mit dem Schadensfall selbst verknüpft, stehe ...