Norbert Schneider, Peter Fölsch
1. Allgemeines
Rz. 88
Entscheidend für die Anwendbarkeit der Regelung ist, dass es um Tätigkeiten von eher geringem Umfang geht, die i.d.R. sowohl vom Anwalt als auch vom Auftraggeber als eine Art Annex der Tätigkeit in der bisherigen Instanz bzw. Stufe verstanden werden und noch nicht als eine (vergütungspflichtige) Tätigkeit für die nächste Instanz bzw. Stufe, für die ggf. die Beauftragung eines anderen Anwalts in Betracht kommt.
Rz. 89
Nr. 9 behandelt Tätigkeiten am Ende eines Rechtsstreits und für Verfahren der Zwangsvollstreckung. Nicht mehr enthalten ist die erstmalige Erteilung der Vollstreckungsklausel, wenn deswegen keine Klage nach § 731 ZPO erhoben wird – diese Bestimmung ist in Nr. 13 enthalten –, und die Kostenfestsetzung (§§ 104, 107 ZPO) ausschließlich der Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss – diese Bestimmung ist in Nr. 14 geregelt. Ebenso nicht mehr enthalten ist der Ausspruch, eines Rechtsmittels verlustig zu sein, weil dieser Ausspruch nach § 516 ZPO keines Antrages mehr bedarf. Gleiches gilt hinsichtlich der Regelungen betreffend die Ausstellung einer Bescheinigung nach § 48 IntFamRVG, nach § 1110 ZPO oder nach § 57 AVAG, die Ausstellung, die Berichtigung oder den Widerruf einer Bestätigung nach § 1079 ZPO, die Ausstellung des Formblatts oder der Bescheinigung nach § 71 Abs. 1 AUG. Diese Normen wurden mit Stichtag 11.1.2015 in die Nr. 9a übertragen.
Rz. 90
In Nr. 9 werden zumeist Tätigkeiten, die nach Urteilsverkündung oder nach Rechtskraft des Urteils vorgenommen werden, behandelt. Beispielhaft werden Tätigkeiten aufgezählt, die noch zum Rechtszug gehören.
2. Regelungsgehalt
a) Zustellung oder Empfangnahme von Entscheidungen oder Rechtsmittelschriften und ihre Mitteilung an den Auftraggeber
Rz. 91
Für den Anwalt, der sowohl in der ersten als auch in der zweiten Instanz beauftragt ist, enthält die Norm eine abschließende Abgrenzung derjenigen Tätigkeiten, die mit der erstinstanzlichen Vergütung abgegolten sind. Der Rechtsanwalt, der für das erstinstanzliche und das Berufungsverfahren beauftragt wird, kann dementsprechend eine Gebühr gemäß VV Nr. 3201 nur dann verdienen, wenn seine Tätigkeit über den Rahmen der erstinstanzlichen Abwicklungstätigkeiten gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 9 hinausgeht. Insofern wird das Prinzip der Pauschalabgeltung der Anwaltsgebühren konkretisiert.
Die Zustellung oder Empfangnahme von Entscheidungen oder Rechtsmittelschriften und ihre Mitteilung an den Auftraggeber gehören zum Rechtszug und werden durch die Verfahrensgebühr abgegolten. Insbesondere spielt hier die Frage eine Rolle, ob für die Berufungsinstanz überhaupt ein entsprechender Auftrag vorliegt. Kann dies nicht nachgewiesen werden, so fallen die Gebühren gemäß VV 3200, 3201 nicht an. Es kommt nämlich nicht auf die Außenwirkung eines stillschweigend erteilten Auftrags an, sondern auf die Frage der Beauftragung an sich.
Rz. 92
Einzelfälle, die zum Rechtszug gehören:
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Empfangnahme von Fristverlängerungsentscheidungen für die Berufungsbegründung (§ 520 Abs. 2 ZPO) sowie Empfangnahme und Weiterleitung des Verwerfungs- oder Zurückweisungsbeschlusses (§ 522 Abs. 1 ZPO). |
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Inempfangnahme des Schreibens des Vorsitzenden der Berufungskammer und seine Mitteilung an den Beklagten. |
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Prüfung von Fragen mit Entgegennahme der Berufungsschrift, die gebührenrechtlich zur ersten Instanz gehören. Solange der Prozessbevollmächtigte eines Berufungsbeklagten bei der Entgegenahme der Berufungsschrift nur Fragen prüft, die § 19 RVG gebührenrechtlich der vorherigen Instanz zuordnet, hat er die im Berufungsverfahren entstehende Verfahrensgebühr nicht verdient. Anderes gilt nur, wenn er Tätigkeiten entfaltet, und sei es auch in der Form der Prüfung, ob etwas zu veranlassen ist, die sich gebührenrechtlich auf das Berufungsverfahren beziehen. Dies müsste im Kostenfestsetzungsverfahren vorgetragen werden. |
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Übermittlung der Bitte durch den Revisionsanwalt an den Berufungsanwalt der Gegenpartei, mit der eigenen Bestellung eines Revisionsanwaltes abzuwarten. |
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Weiterleitung eines Schreibens, welches den zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten einer Partei über die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde informiert, verbunden mit der Bitte, noch keinen eigenen BGH-Anwalt zu bestellen. |
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Prüfung des erstinstanzlichen Bevollmächtigten, ob die ihm zugestellte Berufung der Gegenseite fristgerecht eingelegt wurde. Es kann in diesem Zusammenhang auch nicht ohne weiteres unterstellt werden, bei der bloßen Entgegennahme der Rechtsmittelschrift (Nichtzulassungsbeschwerdeschrift) und ihrer Mitteilung an den Auftraggeber prüfe der Prozessbevollmächtigte, ob etwas für den Mandanten zu veranlassen ist, weshalb eine Verfahrensgebühr nach VV 3201 entstehe. Dies gilt zumindest dann, wenn die Berufung keine Begründung enthält und die Zulässigkeit des Rechtsmittels von dieser Begründung abhängt (vgl. § 64 Abs. 6 ArbGG, § 520 ZPO). Dieser Umstand spricht mehr dafür, dass eine anwaltliche Bearbeitung der Angelegenheit nicht erfolgte; jedenfalls ist dann eine Prüfung der weiteren Vorgehen... |