I. Wertgebühren (Abs. 1)
1. Grundsatz
Rz. 6
In Abs. 1 wird der Grundsatz aufgestellt, dass sich die Gebühren des Anwalts nach dem Wert seiner Tätigkeit richten. Dieser Grundsatz wird jedoch sogleich wieder eingeschränkt, nämlich "soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt" (vgl. Rdn 12 ff.).
Rz. 7
Für die Vergütungen außerhalb des RVG, also für die Tätigkeiten des Rechtsanwalts in den Eigenschaften nach § 1 Abs. 2, gilt die Vorschrift des Abs. 1 selbstverständlich nicht. Insoweit sind die jeweiligen Vergütungsvorschriften für diese Tätigkeiten maßgebend (siehe § 1 Rdn 159 f.).
2. Grundsatz: Wertgebühren
Rz. 8
Wertgebühren sind solche Gebühren, die sich aus den Gebührenbeträgen des § 13 Abs. 1 oder im Falle der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe oder einer anderweitigen Bestellung oder Beiordnung bei Werten von über 4.000 EUR aus den Beträgen des § 49 berechnen. Nach Ermittlung des Gegenstandswerts ist der sich aus der jeweiligen Tabelle ergebende Betrag für die Berechnung der Gebühr zugrunde zu legen.
Rz. 9
Die Wertgebühren entstehen nach dem RVG nicht mehr als Bruchteilsgebühren, sondern ausschließlich als Dezimalgebühren. Diese Dezimalgebühren können bei 1,0 liegen und damit genau dem Tabellenbetrag entsprechen (z.B. VV 3334, 3335); sie können darüber liegen (z.B. VV 3104: 1,2; VV 3100: 1,3; VV 3200: 1,6) oder auch darunter (z.B. VV 3309: 0,3; VV 3500: 0,5).
Rz. 10
Zum Teil sehen die Gebührentatbestände des VV auch gar keine festen Gebührensätze vor, sondern Satzrahmen (so z.B. in VV 2100: 0,5 bis 1,0; VV 2300: 0,5 bis 2,5). Auch in diesen Fällen berechnen sich die Gebühren nach dem Wert der anwaltlichen Tätigkeit. Dem Anwalt steht lediglich ein Ermessen (§ 14 Abs. 1) bei der Festlegung des von ihm zu fordernden Gebührensatzes zu.
Rz. 11
Wertgebühren kommen in erster Linie in zivilrechtlichen und in verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten vor, sind aber auch in Sozialsachen (§ 3 Abs. 1 S. 2) möglich. Sogar in Straf- und Bußgeldsachen können Wertgebühren anfallen (VV 4142, 4243 f.; VV 5116).
3. Ausnahmen
Rz. 12
Die Vergütung berechnet sich nicht nach dem Wert der anwaltlichen Tätigkeit, wenn das RVG "etwas anderes" bestimmt (vgl. Abs. 1). Solche anderweitigen Bestimmungen kommen in verschiedener Form und an verschiedenen Stellen vor:
a) Vergütungsvereinbarung
Rz. 13
Soweit die Parteien eine Vergütungsvereinbarung treffen, ist die vereinbarte Vergütung maßgebend; die Vorschrift des Abs. 1 gilt dann nicht. Möglich ist allerdings, dass sich die Vergütungsvereinbarung lediglich auf die Vereinbarung eines abweichenden Gegenstandswerts oder eines von der gesetzlichen Regelung abweichenden Gebührensatzes beschränkt (siehe § 3a). Dann wiederum sind Wertgebühren nach Abs. 1 zu berechnen.
Rz. 14
Ein vergleichbarer Fall liegt bei den Abrechnungsgrundsätzen einzelner Haftpflichtversicherer für die Verkehrsunfallschadensregulierung vor. Hier sind für die Erstattungsansprüche des Geschädigten feste Gebührensätze vorgesehen, während die übrigen Bestimmungen zum Gegenstandswert und zu den Gebührenbeträgen unberührt bleiben.
b) Festgebühr
Rz. 15
Anstelle von Wertgebühren können auch Festgebühren maßgebend sein. Diese können wiederum betragsmäßig feststehen (z.B. bei der Beratungshilfe nach VV 2500 ff.: 15 EUR, 38,50 EUR, 93,50 EUR und 165 EUR, wobei es sich streng genommen nicht um Gebühren handelt; oder auch die Gebühren des bestellten oder beigeordneten Anwalts in Angelegenheiten nach Teil 4, 5 und 6). Andere Festgebühren enthalten die Bezugnahme auf den Mindestbetrag einer Gebühr (z.B. VV 2201), auf die Verfahrensmittelgebühr (VV 4141, 5115) oder auf die halbe "Schwellengebühr" (Anm. Abs. 1 S. 4 zu VV 1005).
c) Betragsrahmengebühr
Rz. 16
Weiterhin sieht das RVG an zahlreichen Stellen Betragsrahmengebühren vor. Dies sind Gebühren, die nach einem Mindest- und einem Höchstbetrag festgelegt sind. Der Anwalt bestimmt dann nach § 14 Abs. 1 die in seinem Fall jeweils konkret angemessene Gebühr. Solche Gebühren kommen insbesondere in Straf- und Bußgeldsachen (VV Teil 4 und Teil 5), in den Angelegenheiten nach VV Teil 6 sowie in sozialrechtlichen Angelegenheiten nach § 3 Abs. 1 S. 1 vor.
d) "Angemessene Gebühr"
Rz. 17
In VV 2103 a.F. war bis zum 30.6.2006 eine "angemessene" Gebühr vorgesehen. Diese ist mit Wegfall der Gebühren für Beratung und Gutachten zum 1.7.2006 abgeschafft worden.
Die Vereinbarung einer angemessenen Gebühr ist nach § 4 Abs. 3 S. 2 nicht möglich. Es gilt dann die gesetzliche Vergütung (siehe § 4 Rdn 37 f.).
e) Vergütung nach BGB
Rz. 18
Darüber hinaus verweist das RVG in § 34 Abs. 1 S. 2 an Stelle einer Gebühr auf die Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Es gilt dann § 612 BGB (für Mediation und Beratung) oder § 632 BGB (für Gutachten). Auch hier bestimmt der Anwalt die Höhe seiner Vergütung wiederum nach § 14 Abs. 1.
f) Vergütung nach der StBVV
Rz. 19
Schließlich wird in § 35 für die Hilfeleistung bei der Erfüllung allgemeiner Steuerpflichten und bei der Erfüllung steuerlicher Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten auf die §§ 23 bis 39 der StBVV i.V.m. den §§ 10 ...