aa) Betrug
Rz. 93
Erstattet der Auftraggeber wegen der Verletzung der Hinweispflicht Strafanzeige, muss der Rechtsanwalt mit der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts des Betruges (§ 263 StGB) rechnen.
Rz. 94
Als erfolgsursächliches Verhalten des beschuldigten Anwalts kommt nur ein pflichtwidriges Unterlassen der nach § 49b Abs. 5 BRAO gebotenen Belehrung in Betracht. Voraussetzung für die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Anwalts ist daher eine Garantenstellung gemäß § 13 StGB. Inwieweit sich eine Garantenpflicht unmittelbar aus einem außerstrafrechtlichen Gesetz, welches eine Mitteilungspflicht zum Inhalt hat, ergeben kann, ist im Einzelfall festzustellen; dabei kommt es maßgeblich darauf an, ob ein besonderes Vertrauensverhältnis vorliegt. Die Hinweispflicht nach § 49b Abs. 5 BRAO konkretisiert die allgemeinen Berufspflichten des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege (siehe Rdn 51), was die Annahme eines Vertrauensverhältnisses auch im vorvertraglichen Stadium durchaus nahe legt. Auch Inhalt und Zielrichtung der Garantenpflicht sind indes in jedem Einzelfall zu berücksichtigen. Die Hinweispflicht nach § 49b Abs. 5 BRAO soll im Sinne einer opferbezogenen Interpretation die Dispositionsfreiheit des Auftraggebers gewährleisten (siehe Rdn 52); diese ist durch § 263 StGB jedoch als solche nicht geschützt. Schutzgut des § 263 StGB ist vielmehr ausschließlich das Vermögen des Geschädigten. Insoweit hat der Anwalt indes keine umfassende Garantenstellung. Daher wird es in einem Ermittlungsverfahren wegen Betruges zumeist schon an der anwaltlichen Tathandlung durch ein nach § 13 StGB sanktioniertes Unterlassen fehlen.
Rz. 95
Auch ein Irrtum des Auftraggebers i.S.d. § 263 StGB wird regelmäßig zu verneinen sein. Er setzt eine durch die Täuschungshandlung verursachte Fehlvorstellung des Geschädigten voraus, also die positive Vorstellung einer der Wirklichkeit widersprechenden Tatsache; das bloße Fehlen der Vorstellung einer wahren Tatsache ist hingegen nicht tatbestandsmäßig. Die Unterlassung des Hinweises nach § 49b Abs. 5 BRAO erzeugt bei dem Auftraggeber eine schlichte Unkenntnis hinsichtlich der Abhängigkeit der anwaltlichen Vergütung vom Gegenstandswert. Eine konkrete Fehlvorstellung wird demnach nur beim Hinzutreten besonderer Umstände zu ermitteln sein, etwa wenn der Anwalt auf Nachfrage des Auftraggebers insoweit falsche Angaben macht.
bb) Untreue
Rz. 96
Eine strafrechtliche Verfolgung des Rechtsanwalts wegen des Verdachts der Untreue (§ 266 StGB) sollte ebenfalls zu einer Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO führen.
Rz. 97
Eine Verwirklichung des Missbrauchstatbestands (§ 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB) kommt durch die schlichte Unterlassung des Hinweises nach § 49b Abs. 5 BRAO schon mangels Tathandlung des Rechtsanwalts nicht in Betracht. Sie besteht im Missbrauch der Verfügungs- oder Verpflichtungsbefugnis, d.h. darin, dass der Täter zwar wirksam, aber bestimmungswidrig über das fremde Vermögen verfügt bzw. dessen Inhaber verpflichtet. Die erst durch den Mandatsvertrag als Rechtsverhältnis i.S.d. § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB eingeräumte Zugriffsmöglichkeit auf das Vermögen des Mandanten hat der Anwalt in dem für die Unterlassung maßgeblichen Zeitpunkt (vor Übernahme des Auftrags) (siehe Rdn 71) indes nicht.
Rz. 98
Entsprechendes gilt für die Tathandlung des Treuebruchtatbestandes (§ 266 Abs. 1, 2. Alt. StGB); auch hier entsteht die rechtsgeschäftliche und tatsächliche Zugriffsmöglichkeit des Anwalts auf das Vermögen des Mandanten erst mit dem Abschluss des Mandatsvertrages. Unabhängig davon ist das durch den Mandatsvertrag vermittelte Rechtsverhältnis nur dann ein Treueverhältnis nach § 266 StGB, wenn nach der konkreten Ausgestaltung des Mandats die Vermögensbetreuungspflicht des Anwalts in den Rang einer selbstständigen Geschäftsbesorgung erhoben wurde und daher als vertragliche Hauptpflicht anzusehen ist. Diese spezifische Pflichtenstellung bedarf der tatrichterlichen Feststellung im Einzelfall; ein strafrechtlich relevantes Treueverhältnis zwischen Anwalt und Mandant kann daher nicht allgemein angenommen werden.
Rz. 99
Der Versuch der Untreue ist, wie sich aus dem Fehlen einer ausdrücklich...