Rz. 71
Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 49b Abs. 5 BRAO ist der Hinweis auf die Abhängigkeit der Gebühren vom Gegenstandswert "vor" der Übernahme des Auftrags zu erteilen. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers (siehe Rdn 52) soll der Mandant auf diese Weise noch vor dem rechtsverbindlichen Abschluss des Anwaltsvertrages in die Lage versetzt werden, die Höhe seiner daraus resultierenden finanziellen Verpflichtungen besser abschätzen und sich eventuell anderweitig entscheiden zu können.
Rz. 72
Dieser Ansatz ist unter verbraucherschutzrechtlichen Aspekten verdienstvoll, wirkt sich für den Rechtsanwalt indes problematisch aus. Die Vorverlagerung der Hinweispflicht in das Stadium der Vertragsanbahnung ignoriert das Problem, dass der Anwalt zu diesem Zeitpunkt die Gegenstandswertabhängigkeit seiner Vergütung oftmals noch nicht zu erkennen vermag (siehe Rdn 59). Im anwaltlichen Berufsalltag erscheint der in § 49b Abs. 5 BRAO normierte Zeitpunkt überdies realitätsfremd. Wird der Anwalt schriftlich beauftragt, käme ein entsprechender Hinweis in dem die Annahmeerklärung darstellenden Bestätigungsschreiben bereits zu spät. Der Anwalt müsste daher zunächst eine Belehrung nach § 49b Abs. 5 BRAO erteilen und diese idealiter vom Auftraggeber unterzeichnen lassen (siehe Rdn 70), bevor er den Auftrag anzunehmen berechtigt wäre. Jedenfalls in Fällen dieser Art würde eine starre, am Wortlaut haftende Normanwendung zu bloßer Förmelei erstarren. Im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG bedarf § 49b Abs. 5 BRAO daher einer restriktiven Auslegung; insbesondere bei der schriftlichen Mandatsannahme kann der Hinweis auch Gegenstand des anwaltlichen Mandatsbestätigungsschreibens sein.
Rz. 73
Auch muss es bei einer Vertretung in einer Vielzahl gleichartiger Angelegenheiten (Dauermandate) ausreichen, wenn der Anwalt seiner Hinweispflicht in Gestalt eines "General-Hinweises" nachkommt; einer gesonderten Belehrung in jedem Einzelfall bedarf es dann nicht.
Rz. 74
Eine Präventivbelehrung kann auch in solchen Fällen nicht gefordert werden, in denen sich erst nach der Übernahme des Mandats die Gegenstandswertabhängigkeit der Gebühren herausstellt. Übernimmt der Anwalt etwa nach der Klageerhebung durch den Auftraggeber ein vermeintliches Sozialrechtsmandat, das sich später qua Verweisung (§ 17a Abs. 2 GVG) als Verwaltungsrechtsstreit entpuppt, konnte der Anwalt den Hinweis nach § 49b Abs. 5 BRAO schlechterdings nicht vor Auftragsübernahme erteilen. In einem berufsaufsichtlichen Verfahren (siehe Rdn 81) oder einem zivilrechtlichen Haftungsprozess (siehe Rdn 82 ff.) würde es jedenfalls an einem diesbezüglichen Verschulden fehlen.
Rz. 75
Der Vorwurf einer Verletzung der Hinweispflicht kann den Anwalt auch dann treffen, wenn sich erst nach der Übernahme des Auftrags herausstellt, dass eine geschlossene Vergütungsvereinbarung nach § 4b unwirksam ist. Gleiches gilt, wenn die Vergütungsvereinbarung zwar wirksam ist, nach dem Ermessen eines Vertragsteils aber nur die gesetzliche Vergütung als vereinbart gilt (§ 4 Abs. 3 S. 2). In beiden Varianten kann der Anwalt nur nach der gesetzlichen Vergütung abrechnen, es sei denn, das vereinbarte Honorar lag sogar noch darunter. Richtet sich die gesetzliche Vergütung nun nach dem Gegenstandswert, wäre – bei einer Betrachtung ex post – ein Hinweis nach § 49b Abs. 5 BRAO notwendig gewesen. Diesen Hinweis wird der Anwalt jedoch regelmäßig unterlassen haben, ging er doch davon aus, dass die Vergütungsvereinbarung wirksam und folglich auch nicht nach dem Gegenstandswert abzurechnen sei.
Rz. 76
Zur Vermeidung berufs- und zivilrechtlicher Konsequenzen (siehe Rdn 82 ff.) sollte daher in die Vergütungsvereinbarung vorsorglich eine "salvatorische Klausel" aufgenommen werden, welche den Hinweis enthält, dass im Falle der Unwirksamkeit der Vergütungsvereinbarung nach den gesetzlichen Gebühren abzurechen ist und diese sich nach dem Gegenstandswert berechnen:
Rz. 77
"Soweit die getroffene Vergütungsvereinbarung unwirksam sein sollte, ist die Vergütung nach den gesetzlichen Gebühren geschuldet, die sich nach dem Gegenstandswert berechnen."