a) Überblick
Rz. 15
Voraussetzung für die Anwendung des Abs. 1 ist eine Zurückverweisung. Dieser Begriff der Zurückverweisung i.S.d. Abs. 1 ist nicht mit dem prozessualen Begriff der Zurückverweisung, etwa nach § 539 ZPO, § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG oder § 354 StPO, identisch.
Rz. 16
Eine Zurückverweisung nach Abs. 1 ist stets dann gegeben, wenn das Rechtsmittelgericht durch eine das Rechtsmittelverfahren beendende Entscheidung oder einen Vergleich einem untergeordneten Gericht die abschließende Entscheidung überträgt. Das wiederum setzt Folgendes voraus:
b) Rechtsmittel gegen Endentscheidung
Rz. 17
Die Sache muss durch ein Rechtsmittel gegen eine Endentscheidung des zuvor befassten Gerichts in die nächste Instanz gelangt sein, also durch eine Berufung, Revision, Beschwerde oder Rechtsbeschwerde. Ein Rechtsmittel gegen eine Zwischenentscheidung ist insoweit grundsätzlich nicht ausreichend.
Beispiel 1: Vor dem LG verweigert ein Zeuge die Aussage. Das Gericht entscheidet durch Zwischenurteil (§ 387 Abs. 1 ZPO), dass der Zeuge hierzu berechtigt sei. Hiergegen legt der beweisbelastete Kläger sofortige Beschwerde (§ 387 Abs. 3 ZPO) ein. Das OLG sieht kein Aussageverweigerungsrecht und gibt der Beschwerde statt. Anschließend gibt es die Sache an das LG zurück.
Das Rechtsmittel richtete sich nur gegen eine Zwischenentscheidung. Es liegt keine Zurückverweisung i.S.d. Abs. 1 vor.
Beispiel 2: Die Hauptverhandlung vor dem AG wird vertagt; gleichzeitig erlässt das Gericht einen Beschluss nach § 111a StPO. Hiergegen legt der Verteidiger Beschwerde zum LG ein, der stattgegeben wird. Das LG gibt die Sache an das AG zurück, das weiter verhandelt.
Auch hier richtet sich das Rechtsmittel nur gegen eine Zwischenentscheidung. Es liegt keine Zurückverweisung i.S.d. Abs. 1 vor.
Rz. 18
Soweit allerdings gefolgert wird, ein Rechtsmittel gegen eine Zwischenentscheidung reiche nie aus, um die Voraussetzungen des Abs. 1 zu erfüllen, ist dies unzutreffend. Das Rechtsmittel gegen eine Zwischenentscheidung kann zwar keine Zurückverweisung i.S.d. Abs. 1 hinsichtlich der Hauptsache auslösen, wohl aber hinsichtlich des Teil- oder Nebenverfahrens.
Beispiel 1: Das LG stellt nach abgesonderter mündlicher Verhandlung die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil ein. Hiergegen wird sofortige Beschwerde eingelegt. Das OLG gibt der Beschwerde statt, hebt den Einstellungsbeschluss auf und verweist die Sache an das LG zurück. Anschließend wird vor dem LG erneut abgesondert über die Einstellung der Zwangsvollstreckung verhandelt und später auch zur Sache.
Hinsichtlich der Hauptsache liegt keine Zurückverweisung i.S.d. Abs. 1 vor. Die Anwälte erhalten die Gebühren der VV 3100 ff. nur einmal. Hinsichtlich des Verfahrens auf Einstellung der Zwangsvollstreckung liegt dagegen eine Zurückverweisung i.S.d. Abs. 1 vor, da der Einstellungsbeschluss im Hinblick auf dieses Verfahren eine Endentscheidung war. Der Anwalt erhält daher die 0,5-Verfahrensgebühr aus VV 3328 und die 0,5-Terminsgebühr aus VV 3332 ein zweites Mal. Allerdings wird die erste Verfahrensgebühr der VV 3328 auf die weitere Verfahrensgebühr gemäß VV 3328 angerechnet (VV Vorb. 3 Abs. 6).
Beispiel 2: Der Kläger reicht unbedingt Klage ein und beantragt Prozesskostenhilfe. Das AG erörtert zunächst im Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren und lehnt den Prozesskostenhilfeantrag ab. Auf die hiergegen erhobene Beschwerde wird der Beschluss des AG aufgehoben und die Sache an das AG zurückverwiesen. Das Gericht erörtert erneut im Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren und bewilligt die Prozesskostenhilfe.
Auch hier liegt hinsichtlich der Hauptsache keine Zurückverweisung i.S.d. Abs. 1 vor. Hinsichtlich des Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahrens liegt dagegen eine Zurückverweisung nach Abs. 1 vor. Die Anwälte erhalten die 1,0-Verfahrensgebühr (VV 3335) und die 1,2-Terminsgebühr der VV 3104 ein zweites Mal, wobei auch hier die erste Verfahrensgebühr nach VV 3328 auf die weitere Verfahrensgebühr gemäß VV Vorb. 3 Abs. 6 angerechnet wird.
Rz. 19
Ein Zwischenurteil, das in der Sache selbst entscheidet, also über die Zulässigkeit der Klage oder über den Grund, stellt keine Zwischenentscheidung dar, sondern ist hinsichtlich der dort entschiedenen Fragen als Endurteil anzusehen (§ 280 ZPO). Wird ein solches Zwischenurteil angefochten und die Sache vom Rechtsmittelgericht zurückverwiesen, so ist Abs. 1 anzuwenden (siehe Rdn 31).
Rz. 20
Ein Fall des Abs. 1 liegt auch dann vor, wenn ein Strafgericht das Verfahren nach § 206a StPO einstellt und das Beschwerdegericht auf die Beschwerde hin den Einstellungsbeschluss aufhebt und die Sache an das Strafgericht – ggf. eine andere Kammer – zurückgibt.
c) Endentscheidung des Rechtsmittelgerichts oder Vergleich
Rz. 21
Das Rechtsmittelgericht muss in der Sache eine bei ihm abschließende Entscheidung getroffen, also das Verfahren durch Urteil oder Beschluss abgeschlossen haben. Nicht ausreichend ist es daher, wenn sich die Sache im Berufungs- oder Beschwerdeverfahren erledigt oder das Rechtsmittel zurückgenommen wird,...