I. Anwendungsbereich

 

Rz. 4

Abs. 1 gilt für alle gerichtlichen Verfahren, nicht nur für den Zivilprozess, sondern auch in Familiensachen (allerdings mit der Besonderheit des Abs. 2), Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Strafsachen, Arbeitsgerichtsverfahren, verwaltungsgerichtlichen Verfahren, Finanzgerichtsverfahren, Sozialgerichtsverfahren und Verfahren anderer besonderer Gerichtsbarkeiten. Auf die jeweilige Verfahrensordnung kommt es nicht an. Darüber hinaus wird die Vorschrift auch angewandt, wenn ein Verfassungsgericht die Entscheidung eines anderen Gerichts aufhebt und die Sache an das Gericht zurückgibt, dessen Entscheidung aufgehoben worden ist.[1]

 

Rz. 5

Keine Anwendung findet die Vorschrift dagegen, wenn eine Sache vom Gericht an die Verwaltungsbehörde zurückgegeben wird. Ebenso wenig ist Abs. 1 auf die Rückgabe einer Strafsache vom Gericht an die Staatsanwaltschaft oder Bußgeldbehörde anzuwenden (siehe dazu VV 4141 Rdn 104).

[1] BGH 19.9.2013 – IX ZB 16/11, AGS 2013, 453 = RVGreport 2013, 465 = NJW 2013, 3453; OVG Lüneburg NJW 1966, 468.

II. Voraussetzungen

1. Derselbe Anwalt

 

Rz. 6

Die Vorschrift des Abs. 1 hat nur für den Anwalt Bedeutung, der auch schon im Verfahren vor Zurückverweisung tätig war. Anderenfalls ergibt sich schon aus den allgemeinen Vorschriften, dass der Anwalt im Verfahren nach Zurückverweisung sämtliche dort anfallenden Gebühren liquidieren kann.[2] Das gilt auch dann, wenn die Partei im Ausgangsverfahren von einer Sozietät vertreten wurde und sie sich im Verfahren nach Zurückverweisung aufgrund eines neuen Anwaltsvertrags von einem Einzelanwalt vertreten lässt, der im Ausgangsverfahren noch der Sozietät angehört und die Sache namens der Sozietät bearbeitet hatte.[3] Auf die Voraussetzungen des Abs. 1 kommt es in diesen Fällen erst gar nicht an. Dies wird zum Teil übersehen (vgl. Rdn 7 ff.).

Eine andere Frage ist, ob ein Anwaltswechsel zwischen der Beendigung des Ausgangsverfahrens und dem Beginn des Verfahrens nach Zurückverweisung notwendig war. Das richtet sich nach § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO und betrifft nur die Frage, ob die angefallenen Mehrkosten erstattungsfähig sind.[4]

[2] BGH 21.7.2016 – IX ZR 57/15, AGS 2016, 502 = NJW-RR 2017, 374; OLG Celle 7.9.2015 – 2 W 194/15, AGS 2015, 492 = RVGreport 2015, 467 = NJW-Spezial 2015, 668.
[4] BGH 21.7.2016 – IX ZR 57/15, AGS 2016, 502 = NJW-RR 2017, 374; OLG Celle 7.9.2015 – 2 W 194/15, AGS 2015, 492 = RVGreport 2015, 467 = NJW-Spezial 2015, 668.

2. Dieselbe Angelegenheit gemäß § 15

 

Rz. 7

Als Ausnahmevorschrift zu § 15 Abs. 2 setzt Abs. 1 voraus, dass es sich bei dem weiteren Verfahren nach Zurückverweisung an sich – also ohne Anwendung des Abs. 1 – noch um dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 handeln würde. Ist dies nicht der Fall, so erhält der Anwalt die Gebühren ohnehin erneut. Auf Abs. 1 kommt es dann gar nicht erst an.

 

Rz. 8

Liegt zwischen der Beendigung des erstinstanzlichen Verfahrens und der Zurückverweisung ein Zeitraum von mehr als zwei Kalenderjahren, gilt das weitere Verfahren bereits nach § 15 Abs. 5 S. 2 als eine neue Angelegenheit, in der alle Gebühren erneut anfallen. Für die Anwendung des Abs. 1 verbleibt hier kein Raum mehr.[5] Soweit zu den §§ 13, 15 BRAGO die gegenteilige Auffassung vertreten wurde,[6] ist dies jetzt im Ergebnis unerheblich, da dann jedenfalls die Verfahrensgebühr nicht angerechnet werden dürfte (§ 15 Abs. 5 S. 2, 2. Alt.) und damit auch über Abs. 1 S. 2 i.V.m. dem Anrechnungsausschluss des § 15 Abs. 5 S. 2 dem Anwalt die Verfahrensgebühr erhalten bliebe.[7]

 

Rz. 9

Nach Auffassung des OLG Hamburg[8] soll es für die Berechnung der Zweijahresfrist nicht auf die Verkündung des Revisionsurteils ankommen, sondern auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Rechtsanwalts von der Zurückverweisung. Dies ist jedoch – jedenfalls in der Begründung – unzutreffend. Es fehlen bereits die erforderlichen Feststellungen zum Sachverhalt, nämlich zur Auftragslage. Insoweit kommt es nämlich darauf an, ob der Anwalt bereits bedingt für den Fall der Zurückverweisung mit der Durchführung des Verfahrens nach Zurückverweisung beauftragt war oder nicht.

War dem Anwalt nicht der bedingte Auftrag zur Vertretung im erneuten Berufungsverfahren erteilt, dann kommt es weder auf die Zurückverweisung noch auf die Kenntnis davon an, sondern ausschließlich auf das Datum der Auftragserteilung für die Vertretung im erneuten Berufungsverfahren.
War dem Anwalt dagegen bereits vorab der Auftrag erteilt worden, im Falle der Zurückverweisung auch im weiteren Berufungsverfahren für den Auftraggeber tätig zu werden, so gilt allgemeines BGB, und zwar § 158 BGB. Mit Eintritt der Bedingung kommt das Rechtsgeschäft zustande.

Auf eine Kenntnis des Bedingungseintritts durch eine der Vertragsparteien stellt das BGB nicht ab. Dies wäre auch gar nicht praktikabel. Auf die Kenntnis welchen Vertragspartners soll denn dann abgestellt werden?

[5] OLG München AGS 2006, 369 = AnwBl 2006, 588; OLG Köln MDR 2009, 1365; OLG Düsseldorf AGS 2009, 212 = RVGreport 2009, 181 = NJW-Spezial 2009, 220; OLG D...

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