a) Wertaddition

 

Rz. 9

Zusammenrechnung i.S.d. Abs. 1 bedeutet nicht gleichzeitig eine Wertaddition. Die Werte der einzelnen Gegenstände sind vielmehr unter Berücksichtigung der Wertvorschriften des RVG, des GKG, des FamGKG und des GNotKG zusammenzurechnen. In der Regel findet zwar eine Addition statt. Es gibt jedoch zahlreiche Ausnahmen hiervon, für die sich der Begriff "Additionsverbote" eingeprägt hat.

b) Additionsverbote

 

Rz. 10

Additionsverbote gelten in folgenden Fällen:

VV 1009: Hebegebühr, da jede Auszahlung eine gesonderte Angelegenheit darstellt
VV Vorb. 3.3.5 Abs. 2: Insolvenzverfahren, Verteilungsverfahren nach der SVertO.
§ 23b Abs. 2: Die Werte von PKH-/VKH-Prüfungsverfahren und Hauptsacheverfahren werden nicht zusammengerechnet.
§ 23 Abs. 1 RVG i.V.m. § 48 Abs. 4 GKG und § 33 Abs. 1 S. 2 FamGKG: Vermögensrechtlicher und daraus hergeleiteter nichtvermögensrechtlicher Anspruch – es gilt der höhere Wert.
§ 23 Abs. 1 RVG i.V.m. § 44 GKG und § 38 FamGKG: Stufenklage/Stufenantrag – es gilt der höhere Wert.
§ 23 Abs. 1 RVG i.V.m. § 45 Abs. 1 S. 3 GKG und § 39 Abs. 1 S. 3 FamGKG: Klage und Widerklage/Antrag und Widerantrag, betreffend denselben Streit-/Verfahrensgegenstand – es gilt der höhere Wert.
§ 23 Abs. 1 RVG i.V.m. § 45 Abs. 2 GKG und § 39 Abs. 2 FamGKG: wechselseitig eingelegte Rechtsmittel, die denselben Streit-/Verfahrensgegenstand betreffen und nicht in getrennten Verfahren verhandelt werden – es gilt der höhere Wert.
§ 23 Abs. 1 RVG i.V.m. § 45 Abs. 1 S. 2, 3 GKG und § 39 Abs. 1 S. 2, 3 FamGKG: Haupt- und Hilfsanspruch, soweit derselbe Gegenstand betroffen ist – es gilt der höhere Wert.
§ 23 Abs. 1 RVG i.V.m. § 43 Abs. 1 GKG und § 37 Abs. 1 FamGKG: Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten neben dem Hauptanspruch – Nebenforderungen werden nicht hinzuaddiert.
§ 23 Abs. 1 RVG i.V.m. § 52 Abs. 6 GKG: Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen (§ 52 Abs. 5 Nr. 1 GKG) oder die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand (§ 52 Abs. 5 Nr. 2 GKG) betreffen und ein daraus hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch.

Darüber hinaus sind auch weitere Fälle denkbar, in denen wegen wirtschaftlicher Identität verschiedener Ansprüche eine Addition nicht stattfindet.[3]

 

Rz. 11

Auch Höchstgrenzen können zu einem Additionsverbot führen.

 

Beispiel: Der Anwalt erhält den Auftrag, gegen den Schuldner wegen einer Forderung in Höhe von 1.800 EUR und einer weiteren Forderung in Höhe von 800 EUR zu vollstrecken und das Verfahren auf Abgabe der Vermögensauskunft nach § 802c ZPO zu betreiben.

Addiert ergibt sich zwar ein Gesamtgegenstandswert in Höhe von 2.600 EUR. In demselben Verfahren darf ein Gegenstandswert von 2.000 EUR jedoch nicht überschritten werden (§ 25 Abs. 1 Nr. 4), so dass dieser Betrag auch im Falle der Addition nach Abs. 1 die Höchstgrenze bildet.

 

Beispiel: Der Anwalt hat den Auftrag, den Beklagten auf Duldung der Zwangsvollstreckung in ein Grundstück wegen zweier Forderungen zu jeweils 100.000 EUR zu verklagen. Das Grundstück selbst hat einen Wert von 150.000 EUR.

Jede der Forderungen hat zwar einen Wert von 100.000 EUR, insgesamt also 200.000 EUR. Der Gesamtwert kann gem. § 25 Abs. 1 S. 1, 2. Hs. jedoch nicht höher sein als der Wert des Pfandgegenstandes, also als der Wert des Grundstücks. Die Zusammenrechnung ergibt somit nur einen Gegenstandswert von 150.000 EUR.

 

Rz. 12

Ein weiteres Additionsverbot enthalten die §§ 44 Abs. 2 S. 2, 45 Abs. 2 FamGKG. Betrifft eine Kindschaftssache oder eine Kindschaftsfolgesache mehrere Kinder, so liegen zwar mehrere Gegenstände vor; das Verfahren ist jedoch so zu bewerten, als sei nur ein Gegenstand gegeben. Allerdings kann der Ausgangswert angemessen erhöht werden (§§ 44 Abs. 3, 45 Abs. 3 FamGKG).

c) Mehrere Anträge zum selben Gegenstand

 

Rz. 13

Eine Wertaddition findet nur dann statt, wenn der anwaltlichen Tätigkeit auch mehrere Gegenstände zugrunde liegen. Auf die Anträge kommt es nicht an. So ist die zufällige Aufteilung eines einheitlichen Streitgegenstands in mehrere Anträge für den Gegenstandswert nicht entscheidend.[4] So findet eine Wertaddition z.B. nicht statt, wenn zum Umgangsrecht verschiedene Anträge zu verschiedenen Teilaspekten der elterlichen Sorge gestellt werden. Eine Addition von Einzelwerten innerhalb des Anwendungsbereichs des § 45 Abs. 1 FamGKG kommt nicht in Betracht. Dies schließt auch eine Wertaddition aus gegenläufigen Anträgen, Anregungen und sonst geäußerten Begehren innerhalb des Verfahrensgegenstandes der elterlichen Sorge aus.[5]

[4] LAG Köln 10.5.2016 – 4 Ta 66/16; ebenso AG Bergen AGS 2014, 418 = NZFam 2014, 751.

d) Wechselnde Gegenstände

 

Rz. 14

Bei der nach Abs. 1 durchzuführenden Zusammenrechnung sind sämtliche Gegenstände zu berücksichtigen, auf die sich im Laufe des Verfahrens die anwaltliche Tätigkeit erstreckt hat. Es ist...

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