I. Zusammenrechnung (Abs. 1)
1. Dieselbe Angelegenheit
Rz. 7
Voraussetzung für eine Zusammenrechnung ist, dass der Anwalt in derselben Angelegenheit tätig geworden ist. Der Begriff der Angelegenheit ist in den §§ 15 ff. geregelt (siehe § 15 Rdn 23 ff.). Bei verschiedenen Angelegenheiten wird niemals addiert; hier sind die Gebühren vielmehr unabhängig voneinander aus den jeweiligen Gegenstandswerten zu ermitteln.
Rz. 8
Dieselbe Angelegenheit liegt auch dann vor, wenn der Rechtsanwalt den Angeklagten gegen die Adhäsionsklagen mehrerer Geschädigter in einem Strafverfahren vertritt. Für ihn sind die Gegenstandswerte der Adhäsionsklagen zusammenzurechnen, weil die Adhäsionsverfahren eine gebührenrechtliche Angelegenheit i.S.d. § Abs. 1 RVG bilden. Gleiches gilt für den Anwalt, der die Adhäsionsklagen mehrerer Geschädigter im selben Strafverfahren vertritt.
2. Zusammenrechnung
a) Wertaddition
Rz. 9
Zusammenrechnung i.S.d. Abs. 1 bedeutet nicht gleichzeitig eine Wertaddition. Die Werte der einzelnen Gegenstände sind vielmehr unter Berücksichtigung der Wertvorschriften des RVG, des GKG, des FamGKG und des GNotKG zusammenzurechnen. In der Regel findet zwar eine Addition statt. Es gibt jedoch zahlreiche Ausnahmen hiervon, für die sich der Begriff "Additionsverbote" eingeprägt hat.
b) Additionsverbote
Rz. 10
Additionsverbote gelten in folgenden Fällen:
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VV 1009: Hebegebühr, da jede Auszahlung eine gesonderte Angelegenheit darstellt |
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VV Vorb. 3.3.5 Abs. 2: Insolvenzverfahren, Verteilungsverfahren nach der SVertO. |
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§ 23b Abs. 2: Die Werte von PKH-/VKH-Prüfungsverfahren und Hauptsacheverfahren werden nicht zusammengerechnet. |
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§ 23 Abs. 1 RVG i.V.m. § 48 Abs. 4 GKG und § 33 Abs. 1 S. 2 FamGKG: Vermögensrechtlicher und daraus hergeleiteter nichtvermögensrechtlicher Anspruch – es gilt der höhere Wert. |
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§ 23 Abs. 1 RVG i.V.m. § 44 GKG und § 38 FamGKG: Stufenklage/Stufenantrag – es gilt der höhere Wert. |
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§ 23 Abs. 1 RVG i.V.m. § 45 Abs. 1 S. 3 GKG und § 39 Abs. 1 S. 3 FamGKG: Klage und Widerklage/Antrag und Widerantrag, betreffend denselben Streit-/Verfahrensgegenstand – es gilt der höhere Wert. |
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§ 23 Abs. 1 RVG i.V.m. § 45 Abs. 2 GKG und § 39 Abs. 2 FamGKG: wechselseitig eingelegte Rechtsmittel, die denselben Streit-/Verfahrensgegenstand betreffen und nicht in getrennten Verfahren verhandelt werden – es gilt der höhere Wert. |
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§ 23 Abs. 1 RVG i.V.m. § 45 Abs. 1 S. 2, 3 GKG und § 39 Abs. 1 S. 2, 3 FamGKG: Haupt- und Hilfsanspruch, soweit derselbe Gegenstand betroffen ist – es gilt der höhere Wert. |
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§ 23 Abs. 1 RVG i.V.m. § 43 Abs. 1 GKG und § 37 Abs. 1 FamGKG: Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten neben dem Hauptanspruch – Nebenforderungen werden nicht hinzuaddiert. |
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§ 23 Abs. 1 RVG i.V.m. § 52 Abs. 6 GKG: Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen (§ 52 Abs. 5 Nr. 1 GKG) oder die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand (§ 52 Abs. 5 Nr. 2 GKG) betreffen und ein daraus hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch. |
Darüber hinaus sind auch weitere Fälle denkbar, in denen wegen wirtschaftlicher Identität verschiedener Ansprüche eine Addition nicht stattfindet.
Rz. 11
Auch Höchstgrenzen können zu einem Additionsverbot führen.
Beispiel: Der Anwalt erhält den Auftrag, gegen den Schuldner wegen einer Forderung in Höhe von 1.800 EUR und einer weiteren Forderung in Höhe von 800 EUR zu vollstrecken und das Verfahren auf Abgabe der Vermögensauskunft nach § 802c ZPO zu betreiben.
Addiert ergibt sich zwar ein Gesamtgegenstandswert in Höhe von 2.600 EUR. In demselben Verfahren darf ein Gegenstandswert von 2.000 EUR jedoch nicht überschritten werden (§ 25 Abs. 1 Nr. 4), so dass dieser Betrag auch im Falle der Addition nach Abs. 1 die Höchstgrenze bildet.
Beispiel: Der Anwalt hat den Auftrag, den Beklagten auf Duldung der Zwangsvollstreckung in ein Grundstück wegen zweier Forderungen zu jeweils 100.000 EUR zu verklagen. Das Grundstück selbst hat einen Wert von 150.000 EUR.
Jede der Forderungen hat zwar einen Wert von 100.000 EUR, insgesamt also 200.000 EUR. Der Gesamtwert kann gem. § 25 Abs. 1 S. 1, 2. Hs. jedoch nicht höher sein als der Wert des Pfandgegenstandes, also als der Wert des Grundstücks. Die Zusammenrechnung ergibt somit nur einen Gegenstandswert von 150.000 EUR.
Rz. 12
Ein weiteres Additionsverbot enthalten die §§ 44 Abs. 2 S. 2, 45 Abs. 2 FamGKG. Betrifft eine Kindschaftssache oder eine Kindschaftsfolgesache mehrere Kinder, so liegen zwar mehrere Gegenstände vor; das Verfahren ist jedoch so zu bewerten, als sei nur ein Gegenstand gegeben. Allerdings kann der Ausgangswert angemessen erhöht werden (§§ 44 Abs. 3, 45 Abs. 3 FamGKG).