1. Begrenzung (Abs. 2 S. 1)
a) Grundsatz
Rz. 19
Nach Abs. 2 S. 1 beträgt der Wert in derselben Angelegenheit höchstens 30 Mio. EUR, wobei diese Regelung von einem Auftraggeber ausgeht, wie sich aus Abs. 2 S. 2 ergibt. Zur Berechnung bei mehreren Auftraggebern siehe Rdn 34 ff.
Rz. 20
Die Begrenzung ist verfassungsgemäß.
Rz. 21
Möglich sind geringere Höchstwerte nach dem GKG, dem FamGKG oder dem GNotKG, soweit diese Wertvorschriften nach § 23 für den Anwalt gelten.
Rz. 22
Die Regelung des Abs. 2 dient als "Deckelung" dazu, die Gebührenstreitwerte nach oben zu begrenzen. Bei einem Auftraggeber darf danach kein höherer Gegenstandswert als 30 Mio. EUR angenommen werden, auch wenn der tatsächliche Wert des Gegenstandes höher liegt.
Rz. 23
Die Deckelung betrifft den Gegenstandswert der gesamten Angelegenheit. Sofern der Anwalt in derselben Angelegenheit wegen mehrerer Gegenstände tätig ist, gelten nicht etwa 30 Mio. EUR je Gegenstand. Vielmehr ist der nach Abs. 2 zu berechnende Gesamtwert dann auf 30 Mio. EUR begrenzt.
Rz. 24
Die Deckelung auf 30 Mio. EUR gilt auch dann, wenn der Auftraggeber in unterschiedlicher Parteirolle betroffen ist. Angeknüpft wird an die Person des Auftraggebers, nicht an dessen prozessuale Stellung.
Beispiel: Der Anwalt erhebt für den Kläger Klage auf Zahlung von 40 Mio. EUR. Es wird Widerklage erhoben mit einem Wert von 50 Mio. EUR.
Auch hier greift die Höchstgrenze nach Abs. 2 S. 1. Es bleibt beim Höchstwert von 30 Mio. EUR.
b) Haftpflichtversicherungsprämie
Rz. 25
In Anbetracht dessen, dass bei einem höheren tatsächlichen Gegenstandswert den Anwalt eine erhebliche Haftpflichtversicherungsprämie treffen kann, um den Mehrbetrag zu versichern, ohne dass hierfür ein Gebührenaufkommen gegenübersteht, sieht VV 7007 vor, dass der Anwalt die anteilige Versicherungsprämie auf den Auftraggeber umlegen kann, soweit sie das Risiko aus dem überschießenden Gegenstandswert abdecken soll (im Einzelnen siehe hierzu VV 7007 Rdn 1 ff.).
c) Gesetzliche Ausnahmen
Rz. 26
Die "Deckelung" des Gegenstandswerts nach Abs. 2 S. 1 gilt nicht, sofern durch Gesetz ein niedriger Höchstwert bestimmt ist.
Rz. 27
Abs. 2 S. 1 ist durch das Zweite Justizmodernisierungsgesetz (in Kraft getreten am 31.12.2006) geändert worden. Hintergrund dieser Änderung ist die Verweisung des § 23 Abs. 1, Abs. 3 auf das GNotKG. Dort ist zum Teil ein Höchstwert von 60 Mio. vorgesehen (§ 35 Abs. 2 GNotKG). Klargestellt werden sollte mit der Ergänzung, dass für den Anwalt nicht der höhere Wert des GNotKG maßgebend ist, sondern der geringe Wert des Abs. 2 S. 1.
Rz. 28
Vermutlich ohne es zu wollen, hat der Gesetzgeber damit aber auch eine weitere Streitfrage geklärt, nämlich, ob die Begrenzung nach Abs. 2 auch in den Fällen des § 35 gilt. Die StBVV sieht nämlich keine Begrenzung vor. Bislang war anzunehmen, dass die Begrenzung des Abs. 2 S. 1 für den Anwalt im Rahmen des § 35 nicht galt. Jetzt würde die Begrenzung greifen. Das erscheint insoweit bedenklich, als der Steuerberater dieselbe Tätigkeit ohne Wertbegrenzung abrechnen kann, nicht aber der Anwalt.
Beispiel: Der Mandant muss eine Erbschaftssteuererklärung abgeben. Der Wert des Nachlasses beträgt 60 Mio. EUR. Er beauftragt mit der Abgabe der Steuererklärung
a) einen Steuerberater
b) einen Anwalt.
Der Steuerberater rechnet die Abgabe der Steuererklärung nach § 24 Abs. 1 Nr. 12 StBVV ab (eine Gebühr von 2/10 bis 10/10 – Mittelgebühr 0,6 nach Tabelle A). Gegenstandswert ist der Wert des Erwerbs von Todes wegen vor Abzug der Schulden und Lasten, jedoch mindestens 12.500,00 EUR (§ 24 Abs. 1 Nr. 12, 2. Hs. StBVV). Der Steuerberater rechnet also nach einem Gegenstandswert von 60 Mio. EUR ab.
1. |
0,6-Gebühr, § 24 Abs. 1 Nr. 12 StBVV (Wert: 60 Mio. EUR) |
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62.253,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, § 16 StBVV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
62.273,00 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, § 15 Abs. 1 StBVV |
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11.831,87 EUR |
Gesamt |
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74.104,87 EUR |
Für den Anwalt richten sich die Gebühren ebenfalls nach § 24 Abs. 1 Nr. 12 StBVV; diese Vorschrift ist auch für den Anwalt anzuwenden (§ 35). Die VV 2300 ff. sind unanwendbar (VV Vorb. 2 Abs. 1). Hinsichtlich des Gegenstandswertes gilt jetzt jedoch § 22 Abs. 2 S. 1: Der Anwalt darf seiner Berechnung höchstens einen Wert von 30 Mio. EUR zugrunde legen.
1. |
0,6-Gebühr, § 35 RVG i.V.m. § 24 Abs. 1 Nr. 12 StBVV |
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(Wert: 30 Mio. EUR) |
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35.613,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
35.633,00 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
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6.770,27 EUR |
Gesamt |
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42.403,27 EUR |
Es ließe sich also hier durchaus an einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG denken, weil dieselbe Tätigkeit ungleich vergütet wird. Abgesehen davon spricht die jetzige Änderung auch gegen den erklärten Willen des Gesetzgebers, der mit dem § 35 gerade die Gleichstellung von Anwalt und Steuerberater erreichen wollte, diese jetzt aber wieder teilweise aufgibt.
d) Vergütungsvereinbarung
Rz. 29
Unbenommen bleibt es Anwalt und Auftraggeber, eine Vergütungsvereinbarung abzuschließen und in di...