1. "Andere Angelegenheiten"
Rz. 34
Ist nach den Vorschriften des RVG ein Gebührentatbestand verwirklicht, finden die Vorschriften des GNotKG über die Verweisung in Abs. 3 S. 1 nur entsprechend Anwendung, um den für die Vergütung maßgeblichen Geschäftswert festzulegen.
An dem Bezug zu einem gerichtlichen Verfahren fehlt es, wenn die Tätigkeit des Anwalts nur Voraussetzung für eine andere Angelegenheit ist, die allein einem gerichtlichen Verfahren zugänglich wäre.
Beispiel: A hat gegen B eine Forderung von 10.000 EUR. B kann nicht zahlen, hat aber gegen C einen Zahlungsanspruch in Höhe von 30.000 EUR. C macht deswegen gegenüber B ein Zurückbehaltungsrecht geltend. Nunmehr beauftragt A seinen Anwalt, den C durch das Angebot eines lukrativen Auftrags zu bewegen, die Einrede des Zurückbehaltungsrechts aufzugeben und den B zu bezahlen. Dann wäre B finanziell in der Lage, seine Schuld gegenüber A zu begleichen.
Hier könnte A seine Forderung gegen B einklagen. B könnte seinen Anspruch gegen C einklagen. Aber A könnte nicht gegen C auf Verzicht der Einrede klagen. Die Tätigkeit des Anwalts betrifft daher keinen möglichen Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens. Abs. 1 S. 3 ist unanwendbar. Es handelt sich um eine "andere Angelegenheit" (Abs. 3 S. 1).
2. Prüfungskriterien
Rz. 35
Von "anderen Angelegenheiten" ist auszugehen, wenn fünf verneinende Voraussetzungen gegeben sind:
1. |
Es ist kein gerichtliches Verfahren anhängig (sonst Abs. 1 S. 1). |
2. |
Die anwaltliche Tätigkeit könnte auch nicht Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens werden (sonst Abs. 1 S. 3). |
3. |
Trotz anhängigen oder möglichen Gerichtsverfahrens kann es nicht zu einer gerichtlichen Streitwertfestsetzung kommen, weil es an einer anwendbaren Streitwertvorschrift fehlt. Das gilt jedoch nicht bei Gebührenfreiheit, wenn eine für die Gerichtsgebühren maßgebende Vorschrift vorhanden ist. |
4. |
Die Gebühren werden nicht nach dem Wert des Gegenstands berechnet. |
5. |
Das RVG enthält keine Sondervorschriften. |
Die fünfte Einschränkung folgt aus der Wendung in Abs. 3 S. 1 "soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt"; "dieses Gesetz" ist das RVG. Sind diese negativen Voraussetzungen gegeben, dann bemisst sich der Gegenstandswert nach Bewertungsvorschriften des GNotKG, soweit dieses einschlägig ist (Abs. 3 S. 1).
3. Anwendung des GNotKG
Rz. 36
Die Regelung wurde mit Wirkung zum 1.8.2013 durch das 2. KostRMoG geändert. Die Norm verweist zur Anwendung bestimmter Wertvorschriften auf das GNotKG. Wesentliche Änderungen im Vergleich zur alten Rechtslage sind damit nicht verbunden.
Die Rechtsanwaltsvergütung ist nach bisherigem Recht zu berechnen, also nach den Bestimmungen der KostO, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit i.S.d. § 15 vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt worden ist (§ 60 S. 1 Alt. 1). Diese Vorschrift gilt im gesamten Bereich des RVG, mithin auch bei der Wertfestsetzung nach § 23 Abs. 3 RVG.
Die Bewertungsvorschriften über den Geschäftswert nach dem GNotKG gelten uneingeschränkt, wenn ein gerichtliches Verfahren, auf das das GNotKG anwendbar ist, bereits anhängig ist (Abs. 1 S. 1) oder anhängig gemacht werden könnte (Abs. 1 S. 2).
Rz. 37
Sie gelten nur eingeschränkt, soweit es für die anwaltliche Tätigkeit an irgendwelchen gerichtlichen Bewertungsvorschriften fehlt. Zu prüfen sind dann folgende Bewertungsvorschriften des GNotKG:
4. Vergütungsvereinbarung
Rz. 38
Die von Abs. 3 S. 1 erfassten anwaltlichen Tätigkeiten, für die sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt, lassen sich nicht erschöpfend aufzählen. Selbst für typische Sachverhalte können keine allgemeinen Bewertungsregeln entwickelt werden. Dazu sind die Einzelfälle zu unterschiedlich gelagert. Das lässt sich anschaulich an der Tätigkeit hinsichtlich eines Vertragsentwurfs aufzeigen. Das kann ein Mietvertrag sein oder ein Gesellschaftsvertrag, ein Lizenzvertrag oder ein Kooperationsvertrag usw. Deren inhaltliche Unterschiede lassen sich nicht auf einen gemeinsamen Bewertungsnenner zurückführen. Man denke nur an die finanziellen Dimensionen solcher Verträge und die daraus folgenden unterschiedlichen Haftungsrisiken!
Es kann aber auch noch weit verwickelter liegen, wie fol...