Rz. 41
Abs. 3 stellt eine Auffangnorm für Angelegenheiten dar, für die Wertvorschriften fehlen. Der Auffangtatbestand ist insbesondere für nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten bedeutsam, deren Wert auf anderem Weg nicht bestimmt werden kann. Die Wertfestsetzung nach billigem Ermessen kommt im Anwendungsbereich der Norm aber erst hinter allen sonstigen Bewertungsfaktoren zum Zuge. Wo ein objektiver Wert festgestellt werden kann, kommt es in erster Linie auf die Feststellung dieses Werts an. Maßgeblich ist somit immer die "Lage des Falles"; es bedarf also einer auf die konkreten Umstände des einzelnen Verfahrens abgestellten Wertfestsetzung. Kriterien für die Ermessensausübung, insbesondere für das Ansetzen eines vom Hilfswert nach oben oder unten abweichenden Werts, stellen die Schwierigkeit des Falles, der hiermit verbundene Aufwand für die Tätigkeit des Rechtsanwalts und die Bedeutung für die Beteiligten dar.
1. Unanwendbarkeit des GNotKG
Rz. 42
Die nach Abs. 3 S. 1 gebotene vorrangige Prüfung der Vorschriften des GNotKG kann zu dem Ergebnis führen, dass ihre sinngemäße Anwendung nicht in Betracht kommt, weil die Tatbestandsvoraussetzungen nicht auf die zu bewertende anwaltliche Tätigkeit passen.
Beispiel: Der Anwalt erörtert mit dem Mandanten die Möglichkeit der Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit Ehefrau und Kindern.
Dann wird die weitere Hilfsvorschrift des Abs. 3 S. 2 anwendbar.
Rz. 43
Nicht erwähnt, weil selbstverständlich, ist die Bewertungssituation, dass der Gegenstandswert sich aus der Angelegenheit selbst ergibt.
Beispiel: Wird ein Darlehensvertrag über einen Betrag von 10.000 EUR entworfen, dann ist der Geschäftswert gleich diesem Betrag. In solchen Fällen ergeben sich die Bewertungsbeträge unmittelbar aus dem Auftrag an den Anwalt.
2. Prüfungsfolge und Ermessensausübung
Rz. 44
Von diesen Fällen abgesehen (vgl. Rdn 41–43), ist Abs. 3 S. 2 in folgender Stufenfolge zu prüfen:
1. |
Der Gegenstandswert ist nach billigem Ermessen zu bestimmen. |
2. |
Eine Ermessensentscheidung ist nicht möglich, weil
a) |
dazu die tatsächliche Schätzungsgrundlage nicht ausreicht oder |
b) |
es sich um eine nichtvermögensrechtliche Angelegenheit handelt. |
|
Rz. 45
Das Eigenschaftswort "billig" zu Ermessen steht für "gerecht". Die Ermessensentscheidung muss daher möglichst sachgerecht ausfallen. Sie steht nicht im Belieben des Bewerters, sondern ist pflichtgemäße Amtsausübung.
Rz. 46
Ist eine den Gegenstandswert zutreffend erfassende Ermessensentscheidung möglich, weil dafür genügend Anhaltspunkte gegeben sind, dann gibt es für die Entscheidung keine Grenze nach unten oder oben. Deshalb ist dann im Gesetz kein Ausgangs- oder Hilfswert vorgesehen.
Rz. 47
Die Zahl der möglichen Schätzungsgrundlagen ist unbegrenzt. In Betracht kommen beispielsweise der vermögensrechtliche Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit für den Mandanten oder der damit auch verbundene Schutz seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Erlaubt ist auch die Berücksichtigung des Haftungsrisikos des Anwalts. Entgegen LAG Bremen ist es auch zulässig, die grundsätzliche Bedeutung der Angelegenheit zu berücksichtigen.
Rz. 48
Manchmal helfen fallfremde Berechnungsarten statistischer Art weiter, denen die Eigenschaft von Erfahrungssätzen beizumessen ist.
Rz. 49
Wichtig sind natürlich vor allem die eigenen tatsächlichen und wertenden Angaben des Mandanten.
3. Fehlen von Anhaltspunkten
Rz. 50
Nun gibt es Fälle, in denen mangels solcher Anhaltspunkte eine hinreichend zuverlässige Schätzung nicht möglich ist. Auch dann muss der Berechnung der anwaltlichen Vergütung ein Gegenstandswert zugrunde gelegt werden. Abs. 3 S. 2 beziffert ihn mit 5.000 EUR. Das ist nur ein Ausgangs- oder Hilfswert, also kein grundsätzlich statisch anzuwendender Regelwert. Er gilt daher, dass nur bei signifikanten Umständen eine Abweichung nach unten oder oben erforderlich ist. Eine Erhöhung kommt z.B. daher nur dann in Betracht, wenn sonstige werterhöhende Umstände substantiiert vortragen werden. Die individuelle Beurteilung ist stets vorrangig. Dabei kann in markenrechtlichen Verfahren z.B. die besondere wirtschaftliche Bedeutung der Marke ganz allgemein berücksichtigt werden.
Die Rechtsanwaltsvergütung ist nach früherem Recht in der Fassung bis zum 1.7.2013 zu berechnen (Mindestwert 4.000 EUR), wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit i.S.d. § 15 vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt worden ist (§ 60 S. 1 Alt. 1). Diese Vorschrift gilt im gesamt...