Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
Rz. 24
Unterschiedlich entschieden wird die Frage, von welchem Wert auszugehen ist, wenn wegen derselben Forderung ein einziger Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beantragt wird, durch den mehrere Forderungen des Schuldners gegen denselben oder verschiedene Drittschuldner gepfändet werden. Während das LG Koblenz mit der Begründung, bei dieser Sachlage lägen verschiedene Gegenstände vor, den Wert um die Anzahl der gepfändeten Forderungen vervielfacht hat, geht das AG Berlin-Mitte davon aus, es lägen verschiedene Angelegenheiten vor. Demgegenüber verweist das AG Mosbach darauf, im Rahmen des § 25 scheide eine Anwendung des § 22 aus.
Rz. 25
Dabei wird einerseits nicht genügend zwischen Angelegenheit und Gegenstand unterschieden (siehe dazu § 7 Rdn 3, 24 f., VV 1008 Rdn 52), andererseits die Systematik des RVG nicht ausreichend beachtet. Nach h.M. ist von einer einzigen Angelegenheit auszugehen, wenn ein – ursprünglicher oder erweiterter – einheitlicher Auftrag vorliegt, die Tätigkeit sich im gleichen Rahmen hält (gleiche Vollstreckungsmaßnahmen) und zwischen den einzelnen Handlungen ein innerer Zusammenhang besteht (siehe § 7 Rdn 19 ff., VV 1008 Rdn 37 ff., und § 15 Rdn 23 ff.). Dabei kann dieselbe Angelegenheit mehrere Gegenstände betreffen (siehe § 7 Rdn 3 und 24 f., VV 1008 Rdn 52).
Rz. 26
Der Entscheidung des AG Berlin-Mitte kann bereits deshalb nicht gefolgt werden, weil eine Wertaddition gemäß § 22 schon nach dessen Wortlaut nur in Betracht kommt, wenn dieselbe Angelegenheit vorliegt, das Gericht aber – jedenfalls dem Wortlaut der Entscheidung nach – von verschiedenen Angelegenheiten ausgeht.
Rz. 27
Sollte mit Angelegenheit tatsächlich der Gegenstand gemeint gewesen sein, wofür der Hinweis auf die Entscheidung des LG Koblenz sprechen könnte, scheidet aber eine Wertaddition ebenfalls aus. Denn das LG Koblenz übersieht, dass § 22 keine eigene Wertbestimmung enthält, sondern lediglich regelt, dass bei Vorliegen derselben Angelegenheit und mehrerer Gegenstände der Wert durch deren Zusammenrechnung zu erhöhen ist. Die Erhöhung setzt dabei denknotwendig voraus, dass der Wert der mehreren Gegenstände für die Wertbestimmung überhaupt maßgeblich ist. Ob dies der Fall ist, ergibt sich aber nicht aus § 22, sondern allein aus § 25. Nach § 25 Abs. 1 S. 1, 1. Hs. ist der Wert der zu vollstreckenden Forderung ("wegen"), nicht aber der Wert der Forderung, die gepfändet wird ("in"), maßgeblich (siehe Rdn 6). Da wegen derselben Forderung vollstreckt wird, also insoweit keine mehreren Gegenstände vorliegen, scheidet eine Wertaddition nach § 22 damit im Rahmen des § 25 Abs. 1 Nr. 1, 1. Hs. aus.
Beispiel: Entsprechend dem erteilten Mandat beantragt der Anwalt wegen einer Forderung des Mandanten gegen den Schuldner in Höhe von 7.500 EUR den Erlass eines einheitlichen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses in zwei Forderungen des Schuldners gegen A und B. Die Forderung des Schuldners gegen A beträgt 4.000 EUR, die gegen B 4.500 EUR, wie dem Gläubiger bekannt ist.
Rz. 28
Gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 1, 1. Hs. beträgt der Wert 7.500 EUR. Zwar wird ein bestimmter Gegenstand gepfändet (Forderungen über 4.000 EUR und 4.500 EUR). Deren Wert ist aber gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 1, 2. Hs. nicht maßgeblich, weil beide Forderungen nicht niedriger sind als die zu vollstreckende Forderung. Die gepfändeten Forderungen sind wirtschaftlich identisch und ihre Werte sind nicht zu addieren, wenn sie zumindest denselben Wert haben wie die zu vollstreckende Forderung bzw. eine der gepfändeten Forderungen denselben oder einen höheren Wert als die Vollstreckungsforderung hat.