aa) Genereller oder beschränkter Vollstreckungsauftrag

 

Rz. 38

Wenn sich erst im Nachhinein herausstellt, dass der gepfändete Gegenstand einen geringeren Wert hat als ursprünglich angenommen, er wirtschaftlich wertlos oder unpfändbar ist, ist für die Ermittlung des Gegenstandswerts zunächst festzustellen, welchen Vollstreckungsauftrag der Rechtsanwalt erhalten hat. Der Wert der zu vollstreckenden Forderung ist jedenfalls dann für die Verfahrensgebühr VV 3309 maßgebend, wenn der Rechtsanwalt zunächst einen uneingeschränkten Vollstreckungsauftrag erhält und er sodann seine weitere Tätigkeit auf einen bestimmten Gegenstand beschränkt, der sich dann später als wertlos herausstellt. Stellt sich bei dieser generellen Auftragserteilung nachträglich die Wertlosigkeit des Vollstreckungsgegenstands heraus, richtet sich die Verfahrensgebühr VV 3309 nach der Vollstreckungsforderung.[54]

 

Rz. 39

Es kommt daher entscheidend auf den Auftrag an. Das ergibt sich bereits aus § 2 Abs. 1. Denn danach werden die Gebühren grds. nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert). Der Gegenstand wird dabei durch den Auftrag bestimmt (§ 2 Rdn 27).[55] Auch der Wortlaut von § 25 Abs. 1 Nr. 1, 2. Hs. stellt auf den tatsächlich erteilten Auftrag ab: "...; soll ein bestimmter Gegenstand gepfändet werden und hat dieser einen geringeren Wert, ist der geringere Wert maßgebend; ..."

[54] Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, § 25 Rn 20; Hansens, Anm. zu OLG Karlsruhe, RVGreport 2011, 73.
[55] Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, § 2 Rn 7.

bb) Unterschiedliche Auffassungen bei beschränktem Auftrag

 

Rz. 40

Ist der dem Rechtsanwalt erteilte Vollstreckungsauftrag von vornherein auf einen bestimmten Gegenstand beschränkt worden, ist die Ermittlung des Gegenstandswerts umstritten. Im wesentlich werden hier drei Auffassungen vertreten.

 

Rz. 41

1. Die eng auszulegende Ausnahmeregelung in Nr. 1, 2. Hs. soll nach einer Auffassung nicht zum Tragen kommen, wenn der zu pfändende bestimmte Gegenstand überhaupt keinen Wert hat, weil überhaupt kein Wert nicht der im 2. Hs. angesprochene geringere Wert sei.[56] Gehe die Pfändung ins Leere, sei deshalb die Vollstreckungsforderung maßgebend.[57]

 

Rz. 42

2. Teilweise wird auch davon ausgegangen, dass sich der Gegenstandswert bei der Pfändung eines bestimmten Gegenstands nach den subjektiven Vorstellungen des Vollstreckungsgläubigers vom Wert des Vollstreckungsobjekts zu Beginn der anwaltlichen Tätigkeit richtet, sofern diese hinreichend plausibel sind und eine nachvollziehbare tatsächliche Basis haben.[58]

 

Rz. 43

3. Diesen abzulehnenden Auffassungen steht der Gesetzeswortlaut entgegen. Wenn der zu pfändende bestimmte Gegenstand einen geringeren Wert hat als die zu vollstreckende Forderung, ist der geringere Wert dieses Gegenstands maßgebend.[59] Ausnahmen hiervon sind nur zuzulassen, wenn weitere Voraussetzungen vorliegen. Ist die Pfändung z.B. deshalb erfolglos, weil der Gegenstand bereits gepfändet ist, hat der Gegenstand weiterhin einen objektiven Wert, der den Gebühren zugrunde zu legen ist.[60] Maßgebend ist damit der objektive Verkehrswert,[61] und zwar im Zeitpunkt der die Anwaltsgebühr auslösenden Tätigkeit (vgl. Rdn 34).

[56] Vgl. Hansens/Braun/Schneider/Volpert, Teil 18 Rn 66; Volpert, RVGreport 2005, 10: An der dort vertretenen Auffassung halte ich nicht weiter fest.
[57] OLG Naumburg AGS 2014, 516 = RVGreport 2014, 441 = Rpfleger 2014, 607; LG Mannheim JurBüro 2015, 328; LG Düsseldorf AGS 2006, 86 = RVGreport 2005, 358; LG Hamburg AnwBl. 2006, 499; LG Koblenz AGS 2005, 510; Hartmann, KostG, § 25 RVG Rn 5; Schneider/Herget/Thiel, Rn 8962.
[58] OLG Karlsruhe AGS 2010, 539 = RVGreport 2011, 73 = NJW-RR 2011, 501.
[59] OLG Brandenburg 29.7.2016 – 7 W 45/16, AGS 2017, 84 = RVGreport 2016, 470; OLG Köln Rpfleger 2001, 149; LG Stuttgart AGS 2013, 475 = JurBüro 2013, 607; LG Hamburg ZMR 2009, 697; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, § 25 Rn 14, 17; Riedel/Sußbauer/Potthoff, RVG, § 25 Rn 12; in diese Richtung OLG München 18.11.2014 – 20 W 2267/14; offengelassen LG Heilbronn AGS 2014, 35 = JurBüro 2013, 607.
[60] Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, § 25 Rn 17 f.
[61] So auch OLG Brandenburg 29.7.2016 – 7 W 45/16, AGS 2017, 84 = RVGreport 2016, 470; OLG Naumburg AGS 2014, 516 = RVGreport 2014, 441 = Rpfleger 2014, 607; LG Stuttgart AGS 2013, 475 = JurBüro 2013, 607; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, § 25 Rn 14, 18; Mayer/Kroiß/Gierl, RVG, § 25 Rn 11; BeckOK RVG/Sommerfeldt/Sommerfeldt, § 25 Rn 10; vgl. auch OLG München 18.11.2014 – 20 W 2267/14, zum Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht.

cc) Mindestwert oder Mindestgebühr

 

Rz. 44

Existiert die zu pfändende Forderung nicht oder ist sie unpfändbar, beträgt der Gegenstandswert allerdings nicht Null, sondern es ist der geringste Gegenstandswert (Mindestgegenstandswert) bzw. der Gegenstandswert der ersten Wertstufe des § 13 (bis 500 EUR) zugrunde zu legen,[62] weil dies der geringere Wert i.S.v. Abs. 1 Nr. 1, 1. Hs. ist. Soweit vielfach stattdessen die Mindestgebühr von 15 EUR gemäß § 13 Abs. 2 angesetzt wird,[63] wird nicht, wie § 25 es vorsieht, ein Wert, sondern eine Gebühr festgesetzt.

 

Rz. 45

Das kann durchaus ...

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