Rz. 123
Ist die Gebühr nach Abs. 1 S. 1 von einem Dritten zu ersetzen, so ist gemäß § 14 Abs. 1 S. 4 die vom Rechtsanwalt getroffene Bestimmung der Betragsrahmengebühr nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Im Kostenfestsetzungsverfahren sind mithin der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle und das Gericht auf die Prüfung beschränkt, ob die vom Rechtsanwalt bestimmte Gebühr sich innerhalb des Rahmens der zur Anwendung kommenden Betragsrahmengebühr bewegt und ob sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nicht unbillig ist. Das Bundessozialgericht spricht von einem "Entscheidungsvorrecht" des Rechtsanwalts. Im Festsetzungsverfahren muss also ausdrücklich festgestellt werden, dass die vom Rechtsanwalt bestimmte Gebühr unbillig hoch ist. Aus der negativen Fassung von § 14 Abs. 1 S. 4 ist zu schließen, dass die Unbilligkeit vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder vom Gericht dargetan werden muss. Der BGH vertritt die Auffassung, dass der Gebührenschuldner die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass die Gebührenbestimmung durch den Rechtsanwalt unbillig ist. Diese Entscheidung lässt sich ohne weiteres auch auf die sozialrechtliche Kostenfestsetzung, sei es im Widerspruchs- oder Gerichtsverfahren, übertragen. Dem Rechtsanwalt ist zu raten, bereits im Kostenfestsetzungsgesuch nach § 14 Abs. 1 S. 1, 3 die Gründe auszuführen, die für die Billigkeit der von ihm bestimmten Gebühr sprechen. Das Bay. LSG kommt zu dem Ergebnis, dass abstrakte Rechtsausführungen ein Überschreiten der Mittelgebühr nicht rechtfertigen, es vielmehr erforderlich sei, diese auf den individuellen Fall zuzuschneiden.
Rz. 124
Um die Abgrenzung der billigen von der unbillig hohen Gebühr praktikabel zu gestalten, ist in der Rechtsprechung ein Toleranzrahmen anerkannt. Danach ist die vom Rechtsanwalt bestimmte Gebühr in der Regel billig, wenn sie die vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder dem Gericht für angemessen erachtete Gebühr um nicht mehr als 20 vom Hundert übersteigt. Allerdings darf aus dieser Rechtsprechung nicht geschlossen werden, dass eine Bestimmung der Betragsrahmengebühr bis zu einer Höhe von 20 vom Hundert über der Mittelgebühr durch den Rechtsanwalt stets billig ist. Vielmehr müssen Anhaltspunkte vorliegen, die nach § 14 Abs. 1 S. 1, 3 die Überschreitung der Mittelgebühr rechtfertigen. Das grundsätzliche Gebührenbestimmungsrecht des Rechtsanwalts darf aber auch nicht dadurch ausgehöhlt werden, dass eine Gebührenbemessung schon dann als unbillig korrigiert wird, wenn sie lediglich "gut bemessen" ist. Jede Ermessensausübung bewegt sich innerhalb eines durch die Umstände bestimmten Rahmens. Eine Ermessensausübung ist auch dann noch billig, wenn sie an den oberen Rand des durch die Umstände bestimmten Rahmens geht. Erst dann, wenn sie diesen oberen Rand überschreitet, ist sie unbillig und damit ist für das Gericht der Weg frei, das anwaltliche Ermessen durch eigenes Ermessen zu ersetzen.
Rz. 125
Bei dem Streit um die Frage der Billigkeit der vom Rechtsanwalt bestimmten Gebühr ist nach Auffassung des Bundesozialgerichts durch das Gericht kein Gutachten des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer nach § 14 Abs. 2 einzuholen, da ein solches Gutachten nur einzuholen sei, wenn diese Verpflichtung nur in einem Rechtsstreit zwischen Mandant und Rechtsanwalt bestehe. Vielmehr entscheidet das Gericht abschließend über die festzusetzende Gebühr. Diese Auffassung überzeugt nicht, da der Erstattungsanspruch, über den in der gerichtlichen Kostenfestsetzung (oder einem isolierten Kostenverfahren) gestritten wird, dem Gebührenanspruch des Rechtsanwalts gegenüber seinem Mandanten folgt und nicht eigener Genese ist. Gerade in Kostenverfahren, in denen über grundsätzliche Fragen der Gebührenfestsetzung gestritten wird, sichert das bei der Rechtsanwaltskammer (als Selbstverwaltungsorgan der Rechtsanwaltschaft) einzuholende Gutachten das Entscheidungsvorrecht des Rechtsanwalts institutionell.
Rz. 126
Nicht Dritter i.S.v. § 14 Abs. 1 S. 4 ist der Auftraggeber des Rechtsanwalts und die hinter dem Auftraggeber stehende Rechtsschutzversicherung. Bestreitet der Auftraggeber oder dessen Rechtschutzversicherung die Billigkeit der vom Rechtsanwalt bestimmten Gebühr, so ist der Rechtsanwalt darauf angewiesen, die Billigkeit der von ihm bestimmten Gebühr sowie seinen daraus folgenden Gebührenanspruch im Wege der Klage vor dem Amtsgericht durchzusetzen. Das über die Klage erkennende Amtsgericht hat nach § 14 Abs. 2 ein Gutachten des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer einzuholen.
Rz. 127
Eine Kostenfestsetzung nach § 11 Abs. 1, 3 gegen den Auftraggeber kommt nach § 11 Abs. 8 nur in Betracht, wenn der Rechtsanwalt die Mindestgebühren geltend macht oder der Auftraggeber der Höhe der Gebühren ausdrücklich zugestimmt hat und der Rechtsanwalt die Zustimmungserklärung des Auftraggebers mit dem Kostenfestsetzungsantrag vorlegt.