Rz. 146

In Verfahren nach Abs. 1 S. 2, in denen das GKG anwendbar ist, bestimmt sich die Kostenerstattung gemäß § 197a Abs. 1 S. 1, 2. Hs. SGG nach § 162 VwGO.

 

Rz. 147

Nach § 162 Abs. 1 VwGO sind nur die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Notwendigkeit einer Aufwendung beurteilt sich aus der Sicht einer verständigen Partei, die bemüht ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten. Dabei ist auf den Zeitpunkt der die Aufwendungen verursachenden Handlung abzustellen sowie darauf, ob die Partei im entscheidungserheblichen Zeitpunkt die Aufwendung für sachgerecht halten durfte.[193]

 

Rz. 148

Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts aus der Tätigkeit vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit sind nach § 162 Abs. 2 S. 1 VwGO stets erstattungsfähig.

 

Rz. 149

Soweit ein Vorverfahren geführt wurde, sind nach § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Vorverfahren nur dann erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt hat. Die Entscheidung des Gerichts über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren gehört nicht zu der Grundentscheidung über die Kostenfolge. Bei der Entscheidung nach § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO geht es lediglich um die Frage, ob die im Vorverfahren durch die Zuziehung eines Bevollmächtigten entstandenen Kosten zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Ob und inwieweit Aufwendungen erstattungsfähig sind, ist eine im Kostenfestsetzungsverfahren zu entscheidende Frage. Die Entscheidung nach § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO kann sowohl in das Urteil aufgenommen werden als auch durch besonderen Beschluss ergehen. § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO schreibt nicht vor, in welcher Form die Entscheidung vom Gericht zu treffen ist.

Nimmt das Gericht die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren in das Urteil auf, so ändert sich dadurch an dem rechtlichen Charakter der Entscheidung nichts. Sie wird nicht etwa Bestandteil der Kostenentscheidung, sondern bleibt ein das Kostenfestsetzungsverfahren betreffender Ausspruch des Gerichts. § 158 Abs. 1 VwGO ist auf diesen Ausspruch nicht anwendbar; er kann vielmehr auch dann, wenn er im Urteil enthalten ist, selbstständig mit der Beschwerde nach § 146 VwGO angefochten werden.[194]

 

Rz. 150

In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 86b SGG, in denen das GKG anwendbar ist, kann nicht gemäß § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren entschieden werden. Vorverfahren im Sinne dieser Bestimmungen sind die in § 78 SGG i.S. einer Sachurteilsvoraussetzung vorgeschriebenen Widerspruchsverfahren, die vor Erhebung der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage erfolglos durchgeführt werden müssen. Eine Entscheidung des Gerichts nach § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO setzt voraus, dass es im Anschluss an ein solches Vorverfahren zu einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren gekommen ist. In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kommt daher die Entscheidung, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, nicht in Betracht.[195]

Auch bei Rechtstreiten nach der Entscheidung der Schiedsstelle gemäß §§ 75 ff. SGB XII kann nicht gemäß § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren entschieden werden. Die Entscheidung der Schiedsstelle ist ein eigenständiger Verwaltungsakt gegen den nach § 77 Abs. 1 S. 4 SGB XII der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben ist, ohne dass es zuvor der Nachprüfung in einem Vorverfahren bedarf.[196]

 

Rz. 151

Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts im Vorverfahren ist aus einer ex ante-Sicht zu beurteilen. Maßgeblicher Zeitpunkt ist dabei die förmliche Vollmachtserteilung oder bei einer Beauftragung bereits im Verwaltungsverfahren der Auftrag zur Einlegung des Widerspruchs.[197] Maßgebend ist die Sicht eines verständigen Beteiligten unter Würdigung der gesamten Umstände.[198] Dabei dürfen die Erkenntnis und Urteilsfähigkeit des Bürgers nicht überschätzt werden; die Beauftragung eines Rechtsanwalts ist das gute Recht eines Bürgers.[199] Allerdings sind die wirtschaftliche Bedeutung[200] und der Schwierigkeitsgrad der Angelegenheit[201] zu berücksichtigen. Ebenfalls sind zu beachten neben dem Bildungs- und Kenntnisstand des Bürgers[202] die Schwierigkeit[203] und der Bekanntheitsgrad der einschlägigen Rechtsmaterie,[204] die Intensität der Rechtsbeziehung zwischen Bürger und Behörde[205] und die Frage, ob der Schwerpunkt eher im rechtlichen oder im tatsächlichen Bereich[206] liegt.[207] In der Regel ist aber – nicht nur bei schwierigen und umfangreichen Sachverhalten – die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts zu bejahen.[208] Die Auseinandersetzung[209] über die teilweise Anrechnung der Geschäftsgebühr für die außergerichtliche Vertretung auf die Verfa...

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