Rz. 156

Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren sind nach § 63 Abs. 2 SGB X nur erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war.[222] Da § 63 SGB X dem gleichlautenden § 80 Abs. 1 S. 1 VwVfG nachgebildet worden ist, der wiederum an den weitgehend mit § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, § 193 Abs. 2 SGG übereinstimmenden § 162 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) anknüpft, ist davon auszugehen, dass die Grenzen der Erstattungsfähigkeit von Kosten in § 63 SGB X grundsätzlich nicht weiter gezogen sind als in den genannten Regelungen der anderen Verfahrensordnungen. Mithin können die von der Rechtsprechung dazu entwickelten Grundsätze hier entsprechend angewandt werden.[223] Danach ist die Notwendigkeit aus einer Sicht ex ante zu beurteilen. Maßgeblicher Zeitpunkt ist dabei die förmliche Vollmachtserteilung.[224] Maßgebend ist die Sicht eines verständigen Beteiligten unter Würdigung der gesamten Umstände.[225] Dabei dürfen die Erkenntnis und Urteilsfähigkeit des Bürgers nicht überschätzt werden; die Beauftragung eines Rechtsanwalts ist das gute Recht eines Bürgers.[226] Allerdings sind die wirtschaftliche Bedeutung[227] und der Schwierigkeitsgrad der Angelegenheit[228] zu berücksichtigen. Ebenfalls sind zu beachten neben dem Bildungs- und Kenntnisstand des Bürgers[229] die Schwierigkeit[230] und der Bekanntheitsgrad der einschlägigen Rechtsmaterie,[231] die Intensität der Rechtsbeziehung zwischen Bürger und Behörde[232] und die Frage, ob der Schwerpunkt eher im rechtlichen oder im tatsächlichen Bereich[233] liegt. In der Regel ist aber – nicht nur bei schwierigen und umfangreichen Sachverhalten – die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts zu bejahen.[234]

 

Rz. 157

Nur nach Maßgabe dieser Beurteilungsmaßstäbe ist auch zu bewerten, ob die Kosten eines Rechtsanwalts, der sich im Nachprüfungsverfahren selbst vertritt, erstattungsfähig sind.[235] Ebenfalls notwendig können nach den dargestellten Beurteilungsmaßstäben die Aufwendungen für eine anwaltliche Beratung im Nachprüfungsverfahren sein.[236]

[222] Madert/Hellstab, § 9 Rn 11 m.w.N. zu Einzelfällen; Straßfeld, SGb 2013, 326 ff.
[224] Stelkens/Bonk/Sachs/Stelkens/Kallerhoff, § 80 VwVfG Rn 80.
[225] BVerwGE 17, 245; BVerwGE 88, 41; OVG Bremen NVwZ 1989, 75; OVG Sachsen-Anhalt AnwBl 2001, 578.
[226] BVerwG DVBl 1978, 630, 632; BVerwGE 17, 245.
[227] VGH Kassel NJW 1965, 1732.
[228] VGH Kassel NVwZ-RR 1996, 615.
[229] BVerwG BayVBl 1994, 285; JurBüro 1998, 34.
[230] OVG Koblenz NVwZ 1998, 842.
[231] VGH Baden-Württemberg JurBüro 1990, 1039.
[232] OVG Sachsen-Anhalt AnwBl 2001, 578.
[233] OVG Berlin NVwZ-RR 1990, 517.
[234] BVerwGE 17, 245; BVerwG DVBl 1978, 630; OVG Bremen NVwZ 1989, 75; OVG Münster NVwZ 1983, 355, 356; VGH München BayVBl 1978, 378; VG Karlsruhe AnwBl 1978, 463; Stelkens/Bonk/Sachs/Stelkens/Kallerhoff, § 80 VwVfG Rn 81.
[235] BVerwG AnwBl 1981, 244; VGH München BayVbl 1978, 411.
[236] BVerwG NVwZ 1988, 721; OVG Berlin AnwBl 1985, 53; OVG Münster AnwBl 1988, 413.

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