1. Bestimmung durch den Rechtsanwalt
Rz. 114
Die Bestimmung der Betragsrahmengebühr nach Abs. 1 S. 1 erfolgt nach Maßgabe von § 14 Abs. 1 S. 1. Danach hat der Rechtsanwalt die Rahmengebühr unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeiten der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen zu bestimmen. Die Bestimmung ist für jede Betragsrahmengebühr gesondert vorzunehmen, denn die unterschiedliche Abgeltung der anwaltlichen Tätigkeit mit unterschiedlichen Gebühren verbietet es, die Bewertung einer Rahmengebühr auf eine andere Rahmengebühr zu übertragen. Die Neuregelungen sehen bei der Erledigungsgebühr, der Einigungsgebühr (VV 1005, 1006) und der "fiktiven" Terminsgebühr (Anm. S. 2 zu VV 3106) nunmehr aber vor, dass diese Gebühren anteilig zur Höhe der jeweiligen Geschäfts- oder Verfahrensgebühr zu bestimmen ist.
Rz. 115
Im Normalfall, also wenn die Bedeutung der Angelegenheit, der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers durchschnittlich sind, ist die Mittelgebühr in Ansatz zu bringen.
Bei der Bestimmung der Gebühren bei einer Untätigkeitsklage, muss aber die der Untätigkeitsklage eigene Minderung vorgenommen werden, denn die Untätigkeitsklage ist ein rein prozessuales Instrument zur Beschleunigung des Verfahrens und eröffnet – anders als insbesondere im verwaltungsgerichtlichen Verfahren – keinen unmittelbaren Weg zur Erlangung der begehrten Sozialleistung. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Schwierigkeitsgrad der anwaltlichen Tätigkeit bei einer Untätigkeitsklage erheblich unterdurchschnittlich sein kann. Im Rahmen der Zulässigkeit der Klage muss – neben den üblichen Klagevoraussetzungen – lediglich untersucht werden, ob die Sperrfrist von sechs Monaten ab Antragstellung oder drei Monaten ab Widerspruchserhebung abgelaufen ist. Die Begründetheit der Klage hängt davon ab, ob ein zureichender Grund für das Ausbleiben der Widerspruchsentscheidung innerhalb der gesetzlichen Frist vorliegt. Insoweit ist lediglich zu prüfen, ob die Beklagte – ggf. auf Nachfrage hin – einen Grund für das bisherige Ausbleiben der Entscheidung vorgetragen hat und ob dieser ausreichend i.S.d. § 88 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 SGG ist. Eine materiell-rechtliche Prüfung hinsichtlich des Inhalts des begehrten Bescheides ist im Rahmen der Untätigkeitsklage nicht vorzunehmen. Damit ist der Schwierigkeitsgrad der anwaltlichen Tätigkeit im Verhältnis zu den sonstigen Gerichtsverfahren in Sozialrechtsangelegenheiten, die typischerweise vertiefte Auseinandersetzungen mit Rechtsproblemen und medizinischen Fragestellungen voraussetzen, als unterdurchschnittlich anzusehen. Dies gilt auch für den Umfang der anwaltlichen Tätigkeit. Der anwaltliche Arbeitsaufwand beschränkt sich bei einer Untätigkeitsklage in der Regel auf die Überwachung der in § 88 SGG vorgesehenen Fristen, die Fertigung der Klageschrift und – nach Erteilung des begehrten Bescheides – die Abgabe der Erklärung, dass sich die Untätigkeitsklage erledigt habe (§ 88 Abs. 1 S. 3 SGG). Ein Normalfall und der Ansatz der Mittelgebühr ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts einen durchschnittlichen Aufwand erfordert hat. Dies ist z.B. nicht der Fall, wenn keine schriftliche Korrespondenz zwischen den Beteiligten und dem Gericht stattgefunden hat, wie sie üblicherweise in Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit erfolgt. Wird nach einer Untätigkeitsklage aber über das materiell-rechtliche Begehren positiv entschieden, ist die Bedeutung der Untätigkeitsklage mit der eines Klageverfahrens durchaus vergleichbar und entsprechend bei der Bestimmung der Gebühr zu berücksichtigen.
Rz. 116
Als durchschnittliches Verfahren ist aber ein Verwaltungsverfahren, das die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft und die Anerkennung eines Merkzeichens zum Ziel hat, dann zu bewerten, wenn der Prozessbevollmächtigte Widerspruch einlegt, die Verwaltungsvorgänge zur Akteneinsicht anfordert, diese auswertet und sich mit denjenigen Befundberichten und/oder Gutachten inhaltlich auseinandersetzt, die anlässlich des laufenden Verwaltungsverfahrens eingeholt werden. Einem solchen Verfahren ist aber zumindest bei der grundsätzlichen Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft eine etwas über dem Durchschnitt liegende Bedeutung zuzumessen, so dass bei Hinzutreten weiterer Gesichtspunkte (z.B. Stellung eines Antrags nach § 109 SGG) ein Überschreiten der Mittelgebühr gerechtfertigt werden kann. Ein Normalfall ist auch bei Verfahren zur Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen eines Nachteilsausgleichs nach dem SGB IX anzunehmen, da es für einen Erfahrungssatz, dass der Schwierigkeitsgrad eines solchen Verfahrens unter dem der sonstigen sozialgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten wie z.B. eines Rentenstreitverfahrens oder eines Verfahrens nach dem Recht der gesetzlichen Unfallver...