Lotte Thiel, Norbert Schneider
Rz. 174
Zwischen beiden Begriffen muss genau unterschieden werden (näher siehe § 33 Rdn 74 ff.).
a) Die Beschwer
Rz. 175
Die Einlegung einer Beschwerde setzt eine beschwerdefähige Entscheidung voraus. Das ist nicht der Fall, wenn ein OLG entschieden hat (§ 66 Abs. 3 S. 4 GKG).
Rz. 176
Hinsichtlich der Gebührenhöhe ist auch eine Streitwertfestsetzung nach § 62 S. 1 GKG beschwerdefähig. Die Bindungswirkung des § 62 GKG gilt nur für den Zuständigkeitswert in einem Rechtsstreit. In diesem ist nur der Mandant Partei, nicht der Anwalt. Gebührenrechtlich wird der Anwalt aber infolge der Reflexwirkung des Abs. 1 in der Berechnung seiner Vergütung gegenüber dem Mandanten beschränkt. Weder dieser noch der Anwalt können die Entscheidung des Gerichts über die Zuständigkeit oder Rechtsmittelzulässigkeit mit der Beschwerde angreifen. Darum geht es aber für den Anwalt nicht. Er ist hinsichtlich des Zwangs, nach dem Zuständigkeits- oder Rechtsmittelwert abzurechnen, schutzwürdig, wenn ihn das gebührenrechtlich benachteiligt. Soweit durch diese Festsetzung sein Gebührenanspruch betroffen wird, stehen ihm deshalb die Rechte aus § 68 Abs. 1 S. 1 GKG und Abs. 2 S. 1 zu. Das hat das OLG Bremen klar herausgearbeitet:
Zitat
"Würde man dem prozeßbevollmächtigten Rechtsanwalt nicht ein eigenes Beschwerderecht gegen einen Streitwertbeschluß nach § 24 S. 1 GKG [jetzt: § 62 GKG] zugestehen, wäre ihm entgegen der Zweckbestimmung des § 9 Abs. 1 BRAGO [= § 32 RVG] praktisch die Möglichkeit genommen, sich gegen eine zu niedrige Festsetzung des für seine Gebühren maßgeblichen Streitwerts zu wehren. In sachgerechter Auslegung des § 9 Abs. 2 BRAGO [= § 32 RVG] steht dem prozeßbevollmächtigten Rechtsanwalt daher ein Beschwerderecht gegen einen den Streitwert nur für die Entscheidung über die Zuständigkeit des Prozeßgerichts festsetzenden Beschluß zu."
Es geht nicht an, den Anwalt hinsichtlich der Berechnung seiner Vergütung an einen festen Wert zu binden und ihm gleichzeitig das Recht abzusprechen, sich gegen die Fehlerhaftigkeit der Wertberechnung zu wehren. Gerade das soll § 32 Abs. 2 S. 1 verhindern.
Rz. 177
An der Zuständigkeit des Prozessgerichts gemäß der Festsetzung nach § 62 S. 1 GKG ändert sich dadurch natürlich nichts. Hat die (Gebühren-)Streitwertbeschwerde des Anwalts Erfolg, kann das Gericht deswegen nicht unzuständig werden.
b) Beschwerdegegenstand
Rz. 178
Nach § 68 Abs. 1 S. 1 GKG muss der "Wert des Beschwerdegegenstandes" 200 EUR übersteigen. Um zu verstehen, was damit gemeint ist, muss zwischen den Begriffen "Beschwer" und "Beschwerdegegenstand" unterschieden werden (siehe auch § 33 Rdn 74 ff.).
Rz. 179
Beschwer ist dasjenige, was einem Verfahrensbeteiligten durch die Streitwertfestsetzung aberkannt wird. Sie berechnet sich im Verfahren der §§ 32, 33 nach dem Unterschiedsbetrag der Gebühren zwischen dem erstrebten und dem festgesetzten Streitwert.
Rz. 180
Wert des Beschwerdegegenstandes ist der Betrag, den der beschwerte Verfahrensbeteiligte mit der Beschwerde als ihn belastend noch geltend macht.
Beispiel: Der Rechtsanwalt geht von einem Streitwert von 10.000 EUR aus, während das Gericht nur 5.000 EUR festgesetzt hat. Die Beschwer ergibt sich dann aus der Differenz der Vergütungsbeträge nach den Streitwerten 10.000 EUR und 5.000 EUR. Im Beschwerdeverfahren muss der Anwalt aber diese Beschwer nicht geltend machen. Er kann seine Wertvorstellung herabsetzen und erstrebt mit seinem Beschwerdeantrag vielleicht nur noch eine Streitwertfestsetzung in Höhe von 7.500 EUR. Dann berechnet sich der Wert des Beschwerdegegenstandes nach der Gebührendifferenz zwischen dem nur noch erstrebten Streitwert von 7.500 EUR und dem festgesetzten Streitwert von 5.000 EUR. Der Wert des Beschwerdegegenstandes verringert sich also gegenüber der Beschwer.
Rz. 181
Für die Zulässigkeit der Beschwerde kommt es nur auf den Wert des Beschwerdegegenstands an. Dessen Höhe steht allerdings nicht im Belieben des Beschwerdeführers. Er muss in jedem Fall die Beschwer von über 200 EUR erreichen, anderenfalls die Beschwerde unzulässig ist, sofern das Gericht sie nicht zugelassen hat.
Beispiel: Das LG hat den Streitwert in Höhe von 10.000 EUR festgesetzt. Der Rechtsanwalt begehrt die Heraufsetzung auf den Betrag von 16.000 EUR. Bei einer Wertfestsetzung in Höhe von 10.000 EUR würde der Rechtsanwalt folgende Gebühren erhalten:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 |
|
798,20 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, VV 3104 |
|
736,80 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.555,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
295,45 EUR |
Gesamt |
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1.850,45 EUR |
Bei einem Wert von 16.000 EUR erhielte er dagegen:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 |
|
933,40 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, VV 3104 |
|
861,60 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.815,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
344,85 EUR |
Gesamt |
|
2.159,85 EUR |
Der Wert des Beschwerdegegenstands beläuft sich somit auf (1.259,85 EUR – 1.850,45 EUR =) 309,40 EUR. Die Beschwerde ist damit zulässig.
Rz. 182
Die Gerichtskosten ...