Lotte Thiel, Norbert Schneider
Rz. 66
Abweichend vom Grundsatz des § 3 Abs. 1 FamGKG gibt es Verfahren, in denen gar keine Gerichtsgebühren erhoben werden, die also gebührenfrei sind, wie z.B. die Verfahren über die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe einschließlich des Abschlusses eines Mehrvergleichs (Anm. zu FamGKG-KV 1500) oder Verfahren in Kindschaftssachen, die die freiheitsentziehende Unterbringung eines Minderjährigen betreffen (Vorb. 1.3.1 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG-KostVerz). Eine Wertfestsetzung nach § 55 FamGKG kommt in diesen Verfahren daher erst gar nicht in Betracht.
Rz. 67
Anderweitige Bestimmungen i.S.d. § 3 Abs. 1 FamFG, also Regelungen, nach denen die Gerichtsgebühren nicht nach dem Wert abgerechnet werden, finden sich im FamGKG-KostVerz. z.B. in folgenden weiteren Fällen:
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Jahresgebühren in Vormundschafts- und Dauerpflegschaftssachen (Nr. 1311, 1312 FamGKG KostVerz.), |
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Festgebühren in
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Vollstreckungssachen (FamGKG-KostVerz. 1600 ff.), |
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Verfahren mit Auslandsbezug (FamGKG-KostVerz. 1700 ff.), |
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isolierten Verfahren über eine Gehörsrüge (FamGKG-KostVerz. 1800), |
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Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren, soweit sie sich nicht gegen eine die Hauptsache abschließende Endentscheidung richten (FamGKG-KostVerz. 1910 ff.). |
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Rz. 68
Eine gerichtliche Wertfestsetzung nach § 55 FamGKG ist in diesen Verfahren nicht zulässig. Zwar berechnen sich z.B. in Vollstreckungsverfahren die Anwaltsgebühren nach dem Gegenstandswert; dies ist aber keine Grundlage für die gerichtliche Wertfestsetzung nach § 55 FamGKG von Amts wegen. In diesen Fällen ist auf Antrag des Rechtsanwalts eine gesonderte Wertfestsetzung ausschließlich im Verfahren nach § 33 Abs. 1 vorzunehmen, das anderen verfahrensrechtlichen Vorschriften und nicht dem FamGKG folgt.
Rz. 69
Voraussetzung für eine gerichtliche Wertfestsetzung nach § 55 FamGKG ist, dass überhaupt Gerichtsgebühren erhoben werden und sich die zu erhebenden Gerichtsgebühren nach dem Verfahrenswert oder dem Vergleichs(mehr)wert richten. Das Gericht muss daher vor einer Festsetzung stets prüfen, ob überhaupt Gerichtsgebühren anfallen und diese sich nach dem Verfahrenswert richten. Ist dies der Fall, muss grundsätzlich eine Wertfestsetzung nach § 55 FamGKG erfolgen. Ist dies nicht der Fall, dann darf das Gericht keinen Wert nach § 55 FamGKG festsetzen. Eine gerichtliche Wertfestsetzung nach § 55 FamGKG hat daher insbesondere in Vollstreckungsverfahren, in Verfahren mit Auslandsbezug und in Verfahren über Beschwerden und Rechtsbeschwerden, die sich gegen Zwischenentscheidungen oder gegen den Rechtszug abschließende Entscheidungen, die nicht die Hauptsache betreffen, richten, zu unterbleiben, da hier wertunabhängige Festgebühren erhoben werden (FamGKG-KostVerz. 1600 ff., 1700 ff., 1900 ff. etc.).