Lotte Thiel, Norbert Schneider
Rz. 156
Das Antragsrecht hat keine weitergehende Bedeutung, wenn eine bezifferte Forderung in EUR im gerichtlichen Verfahren geltend gemacht wird. Deren Betrag ist identisch mit dem Wert des gerichtlichen Verfahrens. Ein Antrag auf Wertfestsetzung ist insoweit nicht erforderlich. Das Gericht kann von einer Wertfestsetzung auch absehen, wenn sie aus anderen Gründen nicht notwendig ist, weil beispielsweise im gerichtlichen Verfahren Fest- oder Regelwerte gelten und sich der Wert unmittelbar aus dem jeweiligen Kostengesetz oder auch aus einer öffentlichen Urkunde oder einer Mitteilung des Notars nach § 39 GNotKG (vgl. § 79 Abs. 2 GNotKG) ergibt.
Rz. 157
Auch sonst hat das Antragsrecht nur geringe Bedeutung, weil das Gericht den Wert nach § 63 Abs. 1 S. 1 GKG, § 55 Abs. 1 S. 1 FamGKG, § 79 Abs. 1 GNotKG, § 31 Abs. 1 KostO bei Eingang der Klage oder eines Antrags von sich aus festzusetzen hat, wenn auch zunächst nur vorläufig. Erst wenn das nicht geschieht, besteht für den Rechtsanwalt grundsätzlich überhaupt Anlass und Rechtsschutzinteresse daran, einen Festsetzungsantrag zu stellen.
Rz. 158
Insoweit der Rechtsanwalt einen Vorschuss für seine Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren geltend machen möchte, gilt die Bindungswirkung nach Abs. 1 nicht. Der Rechtsanwalt kann deshalb, selbst wenn das Gericht bereits vorläufig eine Wertfestsetzung vorgenommen hat, nach einem höheren Wert abrechnen, so dass ihm das Antragsrecht auch insoweit keine Vorteile verschaffen könnte. Der Rechtsanwalt sollte aber stets darauf hinwirken, dass eine Wertfestsetzung auch bei offenkundigen Bewertungen erfolgt, weil ein Beschluss über die Wertfestsetzung die Abrechnung gegenüber dem Auftraggeber nachvollziehbar und transparent gestaltet.
Rz. 159
Auf das Antragsrecht nach Abs. 2 S. 1, 1. Alt. angewiesen ist der Rechtsanwalt aber dann, wenn das Gericht eine Wertfestsetzung pflichtwidrig unterlässt.
Rz. 160
In einer Anwaltssozietät steht das Antragsrecht jedem Sozius zu, auch wenn er nicht der Sachbearbeiter ist.
Rz. 161
Das Abänderungsinteresse des Rechtsanwalts ist nur gegeben, wenn er eine Werterhöhung anstrebt. Dem Anspruch auf richtige Wertfestsetzung steht nicht entgegen, dass er mit seinem Mandanten eine die Vergütung nach dem höheren Wert abdeckende Honorarvereinbarung getroffen hat.
Rz. 162
Unerheblich ist auch, ob der Anwalt beabsichtigt, mit dem Mandanten nach dem höheren Wert abzurechnen.
Rz. 163
Abzulehnen ist die Auffassung des VGH Mannheim, das gelte nicht, wenn eine Gebührenvereinbarung nach einem niedrigeren Wert getroffen worden sei, weil es dann am Rechtsschutzbedürfnis fehle (zum Rechtsschutzbedürfnis für eine Beschwerde in solchen Fällen siehe Rdn 86 ff.).
Rz. 164
Hat der Rechtsanwalt das Festsetzungsverfahren im eigenen Interesse, also nicht nur für seinen Mandanten, durch einen Antrag in Gang gesetzt oder äußert er sich zu einem Antrag einer Partei oder eines Verfahrensbeteiligten, dann wird er damit selbst Partei bzw. Beteiligter des Wertfestsetzungsverfahrens. Ihm muss fortan, ebenso wie dem Mandanten, rechtliches Gehör gewährt werden (Art. 103 Abs. 1 GG). Er muss über alle weiteren schriftsätzlichen Eingaben und über alle Verfügungen und Entscheidungen des Gerichts informiert werden.