Lotte Thiel, Norbert Schneider
Rz. 74
Abs. 3 S. 1 stellt auf den "Wert des Beschwerdegegenstands" ab, nicht auf die "Beschwer", die aber ebenfalls gegeben sein muss. Beides wird nicht selten verwechselt – sogar vom Gesetzgeber. Diese Begriffe sind deshalb vorab zu klären.
a) Beschwer
Rz. 75
Beschwer ist der Unterschied zwischen der Gebührenberechnung durch eine Entscheidung nach dem festgesetzten und dem für richtig gehaltenen Wert.
Beispiel: Der Rechtsanwalt beantragt Wertfestsetzung nach Abs. 1 in Höhe von 5.000 EUR. Der Auftraggeber meint, der Wert betrage nur 3.000 EUR, so dass seine Kostenbelastung entsprechend geringer ausfalle. Das Gericht setzt den Wert auf 5.000 EUR fest.
Rz. 76
Für den nach Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 aus eigenem Recht beschwerdebefugten Auftraggeber geht es um die Gebührendifferenz, die nach dem festgesetzten, im Vergleich zu dem von ihm erstrebten Wert zu berechnen ist.
Beispiel: Der Wert wird vom Gericht auf Antrag des Rechtsanwalts auf 3.000 EUR festgesetzt (Abs. 1). Der Anwalt ist hingegen der Auffassung, der Wert betrage 5.000 EUR. Dann beläuft sich seine Beschwer auf die Gebührendifferenz bei einer Abrechnung nach 3.000 EUR und 5.000 EUR.
Rz. 77
Die Beschwer ist auch unabhängig von der Höhe der damit für die Partei oder den Rechtsanwalt verbundenen finanziellen Belastung. Derjenige, dem alles zugesprochen wird, was er verlangt, wird überhaupt nicht belastet und damit auch nicht beschwert. Derjenige, dem weniger als das Verlangte zugesprochen wird, ist beschwert, auch wenn es sich nur um ganz geringfügige Beträge handelt. Der Begriff der Beschwer ist unabhängig davon, ob sie den zur Zulässigkeit der Beschwerde erforderlichen Betrag – die sog. Erwachsenheitssumme – erreicht.
Rz. 78
An der "Beschwer an sich" fehlt es grundsätzlich, wenn der Auftraggeber eine Werterhöhung beantragt oder der Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigte eine Wertermäßigung. Der Auftraggeber würde sich dadurch höheren Vergütungs- und Erstattungsansprüchen aussetzen, der Anwalt würde Einbußen seiner Vergütung erreichen. Kein Beteiligter hat aber ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Beschwerde mit dem Ziel einer Verschlechterung. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der Auftraggeber mit dem Anwalt eine wertunabhängige Vergütungsvereinbarung geschlossen hat und durch eine Anhebung des Gegenstandswerts eine höhere Kostenerstattung erreichen will.
b) Wert des Beschwerdegegenstands
Rz. 79
Ohne Beschwer von mehr als 200 EUR (Abs. 3 S. 1) ist eine Beschwerde unzulässig, es sei denn, die Beschwerde ist zugelassen worden (siehe Rdn 96). Ist die Beschwer von mehr als 200 EUR erreicht – was schon bei 200,01 EUR der Fall ist – dann ist die Beschwerde zulässig.
Rz. 80
Nun tritt als zweite Zulässigkeitshürde der Wert des Beschwerdegegenstands hinzu. Der bestimmt sich nur nach dem Beschwerdeantrag.
Beispiel: Fordert der Anwalt eine Wertänderung, die im Ergebnis nur zu einer Neuberechnung bis zu 200 EUR führt, dann wird schon die notwendige Beschwer (erste Stufe) nicht erreicht. Die Beschwerde ist unzulässig, weil der Anwalt nicht die Beseitigung der Mindestbeschwer erstrebt. Er macht sich seine Beschwerde durch seinen eigenen Antrag selbst unzulässig.
Rz. 81
Zur Zulässigkeit der Beschwerde ist also erforderlich, dass erstens eine Beschwer an sich gegeben ist und zweitens mit dem Beschwerdeantrag auch der Mindestwert der "Beschwer an sich" überschritten wird. Beschwer und hinreichender Wert des Beschwerdegegenstands müssen zur Zulässigkeit der Beschwerde zusammentreffen.
Rz. 82
Die Stellung des Anwalts im Verfahren ist unerheblich. Auch wenn er in der Hauptsache selbst Partei ist und sich im Rechtsstreit selbst vertritt, hat er ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Erhöhungsbeschwerde.
Rz. 83
Bei der Berechnung der Erwachsenheitssumme von mindestens 200,01 EUR wird die Umsatzsteuer nach dem festgesetzten und dem erstrebten Gegenstandswert mitgerechnet. Damit das Gericht diese Berechnung vornehmen kann, ist die erstrebte Wertfestsetzung im Beschwerdeantrag zu beziffern. Es genügt nicht, nur eine Erhöhung des Werts zu beantragen.
Rz. 84
Auch muss für das Gericht klar sein, dass es sich um eine Beschwerde des Anwalts handelt, dass er also nicht seine Partei vertritt. Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen, sollte ausdrücklich erklärt werden, dass die Beschwerde vom Anwalt in eigener Sache eingelegt werde.