Lotte Thiel, Norbert Schneider
1. Verfahren
Rz. 148
Die weitere Beschwerde ist als Rechtsbeschwerde ausgestaltet, wie sich aus der Bezugnahme in § 33 Abs. 6 auf die §§ 546, 547 ZPO ergibt.
Rz. 149
In Betracht kommt sie nur, wenn das LG als Beschwerdegericht entschieden hat. Das folgt aus dem dreistufigen Instanzenzug: AG – LG – OLG. Das Gericht der weiteren Beschwerde kann wegen der fehlenden Zuständigkeit oberster Bundesgerichte (§ 33 Abs. 3 S. 2) (siehe Rdn 143) nur ein OLG sein.
Rz. 150
Eine weitere Beschwerde ist nur gegeben, wenn das LG sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in seinem Beschluss zugelassen hat (zu dieser Zulässigkeitsvoraussetzung siehe Rdn 96 ff.).
Rz. 151
Das OLG ist an die Zulassung gebunden, wie sich aus der Bezugnahme in Abs. 6 S. 3 auf Abs. 4 S. 4 ergibt. Darin erschöpft sich seine Bindung. Es entscheidet über die ihm vorgelegte Rechtsfrage völlig unabhängig von der Beurteilung des LG.
Rz. 152
Auch die weitere Beschwerde ist fristgebunden und wiedereinsetzungsfähig (Verweis in Abs. 6 S. 4 auf Abs. 3 S. 3 und Abs. 5) (siehe dazu Rdn 114 ff.).
Rz. 153
Der Vorlage an das OLG muss ein Abhilfeverfahren vorausgehen (Verweis in § 33 Abs. 6 S. 4 auf Abs. 4 S. 1) (siehe dazu Rdn 122).
2. Prüfungsgegenstand
Rz. 154
Das Gericht der weiteren Beschwerde überprüft nicht die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz und erhebt auch keine Beweise. Deshalb ist seine Prüfungskompetenz auf Rechtsfragen beschränkt. Die Grenzen des Prüfungsrechts des Gerichts der weiteren Beschwerde werden durch die §§ 546, 547 ZPO gezogen.
3. Rechtsnormen
Rz. 155
Unerheblich ist, ob das verletzte Gesetz (terminologisch gleichbedeutend mit "Rechtsnorm", siehe § 12 EGZPO) dem materiellen Recht oder dem Verfahrensrecht zuzuordnen ist.
Rz. 156
Das richterliche Verhalten im vorangegangenen Verfahren ist für § 546 ZPO unerheblich. Deshalb ist die Rüge der aktenwidrigen Entscheidung unbeachtlich, es sei denn, dass damit zugleich ein Rechtsverstoß verbunden ist.
4. Normengleiche Regelungen
Rz. 157
Auch rechtsgeschäftliche Bestimmungen sind keine Rechtsnormen. Sie und Allgemeine Geschäftsbedingungen werden aber, wie Rechtsnormen behandelt, wenn ihr Geltungsbereich über den Bezirk des Beschwerdegerichts hinausreicht.
Rz. 158
Entsprechend werden typische Erklärungssachverhalte wie etwa Satzungen von Kapitalgesellschaften, Vereinssatzungen, Stiftungssatzungen und Stiftungsurkunden oder Gesellschaftsverträge von Kapital- und Publikumsgesellschaften behandelt. Darin enthaltene individualrechtliche Bestimmungen bleiben unberücksichtigt.
5. Rechts- und Tatfrage
Rz. 159
Es ist zwischen der Rechtsfrage und der Tatfrage zu unterscheiden. Das Gericht der weiteren Beschwerde ist nur mit der Rechtsfrage befasst.
Rz. 160
Angriffe auf die Beweiswürdigung des Beschwerdegerichts sind unbeachtlich. Beweisfehler können nur darauf gestützt werden, dass bei der Beweiswürdigung gegen Rechtsnormen verstoßen worden ist, etwa gegen § 286 ZPO oder gegen das Gebot der Amtsaufklärung. Infolge dieser Prüfungsbeschränkung ist es verfehlt, eine weitere Beschwerde mit neuen Behauptungen oder gar neuen Beweismitteln zu stützen. Das Beschwerdegericht beachtet ein solches Vorbringen nicht.
Rz. 161
Rechtsfehlerhaft ist es stets, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen "allgemeinen Erfahrungssatz" stützt, den es nicht gibt. Darin liegt ein Verstoß gegen § 286 Abs. 2 ZPO, weil das auf die Anwendung einer nicht im Gesetz bezeichneten Beweisregel hinausläuft.
6. Denkgesetze
Rz. 162
Zu den rügefähigen Gesetzesverletzungen gehören auch Verstöße gegen die Denkgesetze, etwa Rechenfehler, oder wenn eine Beweiswürdigung in sich widersprüchlich ist. Ein fehlerhafter Schluss aus einer Rechtsnorm ist gleichbedeutend damit, dass diese "nicht richtig angewendet worden ist" (§ 546 ZPO). Nicht richtig angewendet worden ist sie auch, wenn sie übersehen worden oder irrig als nicht einschlägig unberücksichtigt geblieben ist.
7. Auslegung
Rz. 163
Die Auslegung rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen obliegt dem Erstbeschwerdegericht. Das Gericht der weiteren Beschwerde ist auf die Prüfung beschränkt, ob die Vorinstanz dabei gegen eine Rechtsnorm verstoßen hat.
Beispiel 1: Gesetzliche Auslegungsvorschriften wie die §§ 133, 157 BGB sind nicht oder fehlerhaft angewandt worden.