Lotte Thiel, Dr. iur. Thomas Eder
Rz. 118
Abs. 1 S. 3 letzter Hs. reduziert die übliche Vergütung für ein erstes Beratungsgespräch um weitere 60 EUR. Die einem Verbraucher in Rechnung zu stellende Erstberatungsgebühr darf daher jeweils 190 EUR nicht überschreiten. Damit ist keine Regel-, sondern eine Höchstgebühr für eine erstmalige anwaltliche Beratung bestimmt. Auch dieser Betrag muss mit den Kriterien des § 14 Abs. 1 erst einmal erreicht werden. Der Anwalt kann nicht willkürlich immer eine Gebühr bis zur Höhe von 190 EUR in Rechnung stellen.
Rz. 119
Bei der Beratung mehrerer Auftraggeber ist auch hier eine Erhöhung der Kappungsgrenze um 30 % für jeden weiteren Auftraggeber vorzunehmen. Die bereits für die Erstberatungsgebühr des § 20 BRAGO bzw. VV 2102 a.F. entwickelte Analogie zu VV 1008 gilt auch für die Kappungsgrenze nach Abs. 1 S. 3, zumal VV 2102 a.F. durch Art. 5 KostRModG in Abs. 1 S. 3 überführt wurde.
Rz. 120
Tabellarisch ergibt sich so folgendes Bild:
Auftraggeber |
Höchstbetrag |
Auftraggeber |
Höchstbetrag |
1 |
190 EUR |
5 |
418 EUR |
2 |
247 EUR |
6 |
475 EUR |
3 |
304 EUR |
7 |
532 EUR |
4 |
361 EUR |
ab 8 |
570 EUR |
Rz. 121
Auch hinsichtlich der Kappungsgrenze für die Erstberatung indiziert die Formulierung "höchstens" eine einzelfallbezogene Prüfung der Vergütungshöhe. Nach der systematischen Stellung des Verweises in Abs. 1 S. 3 Hs. 2 wird § 14 Abs. 1 freilich vom Anwendungsbereich des Abs. 1 S. 3, 3. Hs. ausgenommen. Diese Ausklammerung erscheint nicht sachgerecht. Auch für die Bestimmung der Höhe der Erstberatungsgebühr ist der Rechtsanwalt auf die Heranziehung objektivierbarer Kriterien angewiesen. Deshalb muss der Verweis in Abs. 1 S. 3, 2. Hs. auf § 14 Abs. 1 auch insoweit gelten (siehe § 14 Rdn 11). Die Höhe der Erstberatungsgebühr richtet sich somit nach den Umständen des Einzelfalles, namentlich nach den Bemessungskriterien des § 14 Abs. 1.
Rz. 122
Wegen der um 60 EUR differierenden Kappungsbeträge ist eine Abgrenzung zwischen der bloßen Erstberatung und einer weitergehenden Beratung geboten. Insoweit hat der Reformgesetzgeber die bis zum 30.6.2006 existente Rechtslage übernommen. Dazu hatte die Rechtsprechung einige Grundsätze herausgearbeitet, die sinngemäß auch für Abs. 1 S. 3, 3. Hs. gelten:
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Eine Erstberatung liegt nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Abs. 1 S. 3 nur vor, wenn der Anwalt mit seinem Auftraggeber ein Gespräch führt. Dies kann auch ein Telefonat sein. Im Gegensatz zu der Altregelung des § 20 BRAGO stellt eine schriftliche Beratungstätigkeit keine Erstberatung im Rechtssinne dar. Unter dem Regime des RVG existiert keine schriftliche Erstberatung. |
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Es muss sich um ein erstes – gerade nicht komplettes – Beratungsgespräch handeln, wobei die pauschale Beantwortung der Fragen des Mandanten ausreichend ist. Eine detaillierte Auswertung mitgebrachter Unterlagen kann der Mandant nicht erwarten. Der Anwalt muss im Rahmen der Erstberatung kein vollständiges Ergebnis präsentieren, er muss dem Mandanten dies aber erkennbar machen und auf offengebliebene und zu vertiefende Fragen hinweisen, den Sachverhalt, soweit möglich, vollständig erfragen und darauf hinweisen, welche Rechtsfragen von ihm noch zu recherchieren sind. Die Reduzierung auf 190 EUR greift also grundsätzlich nicht ein, wenn es zu einem Anschlussberatungstermin kommt. Vom Mandanten nachgereichte Unterlagen müssen im Rahmen der Erstberatung nicht ausgewertet werden. Der Anwendungsbereich der reduzierten Kappungsgrenze endet dann, wenn das erste Beratungsgespräch beendet oder wegen seines Beratungsgegenstandes unterbrochen wird. Setzt sich die Beratung später fort oder sucht der Ratsuchende den Rechtsanwalt erneut wegen Zusatzfragen auf, ist der Bereich der Erstberatungsgebühr verlassen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt, wenn der weitere Termin lediglich eine zeitbedingte "Vertagung" des ersten Termins darstellt. |
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Keine Erstberatung liegt vor, wenn der Mandant bis zur nächsten Beratung eine "Bedenkzeit" benötigt. Ebenso endet die Erstberatung, wenn der Rechtsanwalt sich zunächst sachkundig machen muss, denn eine Erstberatung stellt nur eine pauschale, überschlägige Einstiegsberatung dar. Der Begriff der Erstberatung ist daher eng auszulegen. Bei einer familienrechtlichen Beratung, innerhalb derer der Anwalt über eine Stunde lang zu Scheidungsvoraussetzungen, elterlicher Sorge, Versorgungsausgleich, Umgangsrecht, Hausratsauseinandersetzung, Zugewinnausgleich sowie Ehegatten- und Kindesunterhalt berät und das Beratungsergebnis anschließend in einem mehrseitigen Schreiben zusammenfasst, liegt keine Erstberatung mehr vor. Die Kappungsgrenze soll folgerichtig nur das "Gebührenrisiko" des Mandanten für ein erstes Gespräch begrenzen. Sie hat aber keine Pflicht des Rechtsanwalts geschaffen, den Mandanten in einem ersten Gespräch sofort und umfassend zu beraten und zu belehren. Der Bereich der Erstberatung ist auf jeden Fall überschritten, wenn bei einem Zweitgespräch über Vorschläge beraten wird, die bei dem Erstge... |